Weihnachten
Die reizenden Rundungen des Weihnachtsengels deuten es an: Geschafft setzen sich alle hin und geben sich dem alljährlichen Weihnachtsfeier-Ritual hin. Ein Fest, dass im Nachrichtenbereich nur als Quotenmeldung über den Absatz des Handels im Weihnachtsgeschäft vorkommt…
Iris Radisch hat in der Zeit einen fulminanten Text zum Fest geschrieben, »Vom Glück der Erleuchtung«. Das angebliche »Fest der Liebe« ist ein Teil der großen kapitalistischen Maschine, die uns in ihren Zahnrädern und Röhren gefangen hält und stets beschleunigt. Ich möchte nicht wissen, wie viele das Weihnachtsfest nur bewältigt bekommen, weil sie sich für alles Weihnachtsbetreffende einen GTD-Kontext angelegt haben. Der Kapitalismus hat die Ökonomisierung aller Lebenswelten fast geschafft:
»›Wir leben wie Tote‹, hat Albert Camus einmal geschrieben. Das klingt nicht gut und ist zu düster und unpassend für unser hell erleuchtetes, an Vitalität und Bewegung so überreichem Leben. Das Lebensgefühl, das Camus ausdrücken wollte, ist uns aber bekannt. Es ist das Gefühl, nicht selbst zu leben, sondern gelebt zu werden. Selbst unbeteiligt zu sein und in den rasenden Umschlagsbewegungen der Gesellschaft wie eine herausgeputzte Kleiderpuppe hin und her geworfen zu werden und die Notbremse nicht zu finden.«
Allen hier noch Lesenden, ob passionierte Weihnachten-Feierer oder nicht, wünsche ich ein paar ruhige Tage. Einfach mal die Maschine anhalten, und ein wenig Nachdenken über die Fragen, die der Text oben so stellt. Und sich vom großen Philosophen, dem Weihnachtsbaumverkäufer, anregen lassen.
Und passend zum Fest: Das freie Weihnachts-Mixtape von Okkervil River.
Und auch die Kilians wünschen frohe Weihnachten auf ihrer Myspace-Seite mit dem Song »Old Enough«.
2 Kommentare
Markus Sowada // Morgenland am 26.12.2007:
Nicht selber leben, sondern gelebt werden. Beim Lesen des Artikels von Iris Radisch mußte ich unwillkürlich lächeln, denn gerade diese eine Textzeile von Albert Camus ist eine Wendung, die ich – ohne zu wissen, daß sie von Camus schon viel früher erdacht wurde – schon seit sehr langer Zeit immer wieder dann gerne benutze, wenn ich Leuten erklären will, was mich antreibt und was ich idealerweise anstrebe: Ich möchte mein Leben leben, möchte es mir einrichten und möchte nicht zulassen, daß irgendjemand oder irgendetwas mich lebt. Ich strebe ein verantwortliches, eigenständiges Leben an, mit allen positiven und negativen Konsequenzen. Natürlich wäre ich ziemlich dumm, wenn ich nicht mir zunehmenden Alter feststellen würde, daß es Dinge gibt, die Einfluss haben und die ich selber gar nicht oder wenigstens nur minimal beeinflussen kann. Andererseits gilt es immer, seine grauen Zellen anzustrengen: Nicht selten können wir Dinge wider Erwarten doch selber und eigenständig beeinflussen und sind nur zu bequem, einmal eingeschlagene und üblich gewordene Abläufe nicht nur in Frage zu stellen, sondern diese auch aufzubrechen, wenn wir feststellen, daß sie uns von unseren eigentlichen, selbstdefinierten Lebenszielen abhalten. Das Weihnachtsfest ist natürlich ein Musterbeispiel dafür, wie weit man sich u.U. vom Kern einer Sache entfernen kann.
Und, um noch einen weiteren verwirrenden Sprengsel Wirklichkeit hinzuzufügen: das tägliche Leben besteht zumeist nicht aus eindeutig weissen oder eindeutig schwarzen Mosaiksteinchen. Manchmal ist es sehr schwer zuzulassen, daß nicht ein vordergründig klarer Weg der richtige ist, sondern daß man seinen Weg nur findet, wenn man Schritt für Schritt geht und fortwährend überprüft, ob man mit seinem Tun noch auf dem “Pfad der Tugend” befindet.
Ich bremse mich aber an diesem Punkt, denn ich schweife ab .. und doch auch nicht. Aber, dies ist ja (nur) ein Kommentar und keine Magisterarbeit ;). Vielen Dank für diesen überaus interessanten Beitrag :)) ..
bwolf am 28.12.2007:
Danke für das Mixtape von Okkervil River. Sehr schön anzuhören und genau richtig für diese Tage.