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Gentoo-Linux auf dem Powerbook G4, oder: Wenn dem Mac-Benutzer zu wohl wird...

Warum denn das?

Der Schreiber dieser Zeilen war von 1994 bis 2003 vornehmlich mit Linux unterwegs. Geswitcht wurde damals vor allem, weil in Sachen »Notebook und Linux« bspw. die Rumfrickelei mit ndiswrapper-Skripten und dem Herausfinden des Chipsatzes einer WLAN-Karte für das Benutzen eines Computers im 21. Jahrhundert völlig unangemessen erschien. Und das habe ich nie bereut, der Mac ist und war die perfekte Plattform für meine Arbeit, er funktioniert einfach.

Mein schönes altes Powerbook G4 aber, dass noch stets als mein Zweitgerät für Reisen und Konferenzen aller Art am Start ist, wird demnächst von Apple offiziell zum alten Eisen erklärt. Man bemerkt schon, dass Apple einen rigorosen Strich ziehen möchte. Der »Snow Leopard« wird Gerüchten zufolge keine Unterstützung mehr für Power-PC-Prozessoren enthalten, und der aktuelle Leopard und neuere Programme überfordern das kleine Powerbook mit seinen 867Mhz und 640 MB RAM ein wenig. Man sieht trotz leistungsfördernder Massnahmen wie das Deaktivieren von Spotlight fast so oft den Strandball wie auf vergurkten Windows-Kisten die Sanduhr. ;)

Also entstand die Idee, mal wieder ein wenig in die nerdige Welt des Betriebssystem-Frickeln abzutauchen und das kleine Powerbook mit einem alternativen, schnelleren Betriebssystem für den Alltags-Bedarf unterwegs zu versehen.

Der Power-PC, das Stiefkind der Distributionen

Mein Lieblingslinux Ubuntu wäre eigentlich erster Kandidat dafür gewesen, aber PowerPC-Rechner werden seit Ausgabe 6.10 nicht mehr unterstützt, es gibt nur noch einen inoffiziellen veralteten Release, der schon beim Boot von CD abstürzt. Danke, Herrschaften, so viel frickeln wollte ich dann auch wieder nicht. ;)

Nach ein wenig Herumschauen blieb als ernsthafte halbwegs aktuelle Alternative nur noch die »Linux-Distribution für Masochisten«, Gentoo, übrig. Auch das hatte ich einst schon mal im Einsatz, war dann aber nach dem ersten Ubuntu-Release gewechselt, weil die ewige Kompiliererei für alles und jedes eigentlich ein Witz ist. Auf dem PowerPC stellt sich gerade das als Stärke heraus. Da nicht irgendwer eine Binärdistribution erzeugen muss, steht für fast alles, was man so braucht, ein Paket zur Verfügung.

Installation

Frisch ans Werk, mit einem Boot von der Leopard-DVD wurde die Festplatten-Partition von Mac OS X um 15 GB verkleinert, das funktionierte wunderbar ohne Datenverlust.

Dann besorge man sich die Installations-CD für ppc/ppc64 und boote das Powerbook durch das Halten der »C«-Taste beim »Tataa« von der Installations-CD. Es folgt der mühsame Part, grafische Installation und ähnliches neumodisches Zeug gibt es nicht. Die Installation von Gentoo läuft noch wie im letzten Jahrhundert mit der Eingabe einer Myriade von Kommandozeilen-Befehlen ab. Man halte sich sklavisch an die Installationsanleitung der Online-Dokumentation, dann klappt die Installation ohne größere Probleme. Dabei nicht vergessen, ein Ethernet-Kabel an das Powerbook zu hängen.
Und bei der Erstellung des Kernels unbedingt die manuelle Methode verwenden, die genkernel-Prozedur funktioniert nämlich nicht.
Und auf gar keinen Fall die plausibel klingende Tastaturbelegung »mac-latin-1« verwenden, diese führt zum kompletten Chaos auf allen Tasten und der Notwendigkeit, von der CD zu booten, die Festplatte zu mounten und die Tastaturbelegung wieder auf »de-latin-1« umzustellen…

Grundkonfiguration

Nach dem ersten Boot mit dem neuen System steht man vor einem nackten Terminal-Login. Nun ist man noch lange nicht fertig, denn wir wollen ja auch eine grafische Oberfläche haben. Was es bei der Konfiguration der einzelnen Komponenten zu beachten gibt, steht im Gentoo Linux/PowerPC-FAQ.

Es wurde zunächst einmal nach dem X-Server-Konfigurations-HOWTO der X-Server eingerichtet und als Window-Manager Fluxbox installiert. Für das Alu-Powerbook G4 aus dem Baujahr 2003 verwendet man übrigens den »nv«-Videotreiber. Nach der Eingabe der entsprechenden emerge-Kommandos stellt man dann das Powerbook erst einmal ein paar Stündchen in die Ecke, denn das ganze Zeug muss nun erst einmal aus dem Code kompiliert werden. Am Ende stand dann ein funktionierendes grafisches System mit fluxbox, ein wenig »gepimpt« mit dem GSM-Theme.

flickr-Bild: Gentoo with fluxbox on a Powerbook G4

Software besorgen

Man braucht natürlich auch eine Software-Grundausstattung für den Unterwegs-Einsatz, als da wäre:

  • Firefox als Webbrowser: emerge firefox. Stundenlange Kompilierung.
  • mutt als E-Mail-Client für Zugriff auf den E-Mail-Server: emerge mutt. Als grafische Alternative claws.
  • Der Midnight-Commander für Dateimanagement: emerge mc.
  • mpg123 als MP3-Player für die Konsole: emerge mpg123.
  • vlc für Streams, Video und sonstigen Bedarf an Tönen und Bewegtbildern. Damit der auch etwas Abspielen kann, muss vlc per USE-Flags auf alle denkbaren Formate vorbereitet werden:
    USE=“aac altivec dvd flac id3tag matroska mmx mp3 mpeg ogg skins stream theora vorbis win32codecs x264” emerge vlc.
    Stundenlange Kompilierung folgt.
  • Als kleines Gadget für die Anzeige des Batteriestands, CPU-Auslastung etc., gkrellm: emerge gkrellm gkrellm-themes gkrellm-pmu.
  • Psi für Jabber: emerge psi.
Problemzonen

Wie sich das für ein ordentliches Frickel-Linux gehört, funktioniert natürlich außer den Basisfunktionen nichts »einfach so«.

Trackpad und die drei Maustasten

Das Trackpad hat natürlich keine rechte Taste, und die Sache mit »Ctrl-Klick« ist eine Funktion von Mac OS X, nicht der Hardware. In den weiten des Webs findet sich ein Würgaround, nämlich das Legen von Maustaste 3 und 2 auf die Funktionstasten F11 und F12, dazu schreibt man in /etc/sysctl.conf an das Ende:

	dev/mac_hid/mouse_button2_keycode=87
	dev/mac_hid/mouse_button3_keycode=88
	dev/mac_hid/mouse_button_emulation=1

Sonderzeichen auf der Tastatur

Die Powerbook-Tastatur wird nicht vernünftig unterstützt, also muss man sich eine Datei ins Home-Verzeichnis legen unter dem Namen .Xmodmap. Da Alt unter Linux als Meta-Key benötigt wird, und die Apfel-Taste beschäftigungslos ist, und eine unterschiedliche Tastaturbelegung auf unterschiedlichen Systemen die geistige Flexibilität bis ins hohe Alter erhält, habe ich die Sonderzeichen wie »[]|{}@« auf die Apfel-Taste umgelegt, die .Xmodmap:

	keycode 13 = 4 dollar dead_tilde
	keycode 14 = 5 percent bracketleft
	keycode 15 = 6 ampersand bracketright
	keycode 16 = 7 slash bar
	keycode 17 = 8 parenleft braceleft
	keycode 18 = 9 parenright braceright
	keycode 20 = ssharp question backslash
	keycode  94 = less greater bar
	keycode 115 = Mode_switch
	keycode 46 = l L at 
	keycode 57 = n N dead_tilde 

Je nach verwendetem Window-Manager wird die .Xmodmap evtl. nicht gelesen, dann muss man mit einem xmodmap ~/.Xmodmap in einem Terminal nachhelfen.

Hässliche Schriften

Die Standardschriften im Browser sind einfach unbeschreiblich abscheulich. Mit den Informationen aus dem Gentoo-Wiki kann man Abhilfe schaffen. Ein emerge world, wie dort empfohlen wird, habe ich aber nicht ausgeführt, denn das hätte zu einem tagelangen Rekompilieren des gesamten Systems geführt.

Sound

Töne möchte man auch gerne hören. Ist aber nicht so einfach, natürlich. In der Kernel-Config »ALSA« (Advanced Linux…) aktivieren, PowerPC-Sound-Devices in den Kernel einbauen und »Apple Onboard Audio Driver« als Modul erstellen. Drauf achten, dass das Modul snd_powermac durch einen Eintrag in /etc/modules.autoload.d/kernel-2.6 beim Systemstart geladen wird. Alsa-Mixer mit emerge installieren und schauen, dass der Ton nicht stumm geschaltet ist, was er als Standardeinstellung aus welchem Grund auch immer stets ist…

WLAN

Eine einzige Katastrophe, offensichtlich gibt es hier seit 2003 nur marginalen Fortschritt zu verzeichnen. Das PowerPC-FAQ von Gentoo gibt nur eine marginale Hilfestellung, man muss dann hier im Forum weiterlesen und mit obskuren Tools mit Firmware rummachen und dann die systemunabhängigen Ratschläge im Handbuch beachten.
Das hat dann irgendwie tatsächlich funktioniert. Und Hände weg von grafischen Tools wie NetworkManager, der stundenlang kompiliert, um dann die Einstellungen des obskuren »WPA-Supplicant« zu zerstören. Oder gar »wicd«, der für überhaupt keine Konnektivität mehr sorgt, sondern mit D-BUS-Fehlern glänzt. Man arbeitet lieber mit iwlist wlan0 scanning im Terminal, das funktioniert besser und zerstört nichts.

Epic FAIL

Was überhaupt nicht funktioniert: Der »Sleep-Modus«, hibernate und Co. führten nur zum Einfrieren des Rechners. Ärgerlich, aber verkraftbar, da der Rechner mit Gentoo innerhalb eineinhalb Minuten hoch- bzw. runter fährt.

Und es gelang mir nicht, das USB-Kernel-Geschlonz samt gphoto davon zu überzeugen, Bilder von meiner Powershot G5 herunter zu laden.

Und es gibt kein Flash und kein AIR, da Adobe nichts für Linux auf PowerPC anbietet, das sind die Freuden proprietärer Pseudo-Standards. Und auch keinen brauchbaren Twitter-Client, da ohne Gnome, KDE und Adobe-AIR einfach nichts Brauchbares im Gentoo-Angebot steckt.

xfce

Da mir fluxbox doch zu minimalistisch erschien, habe ich mir zum guten Schluss noch die Pakete des Window-Managers xfce besorgt: emerge xfce4 xfce4-mixer. Dessen Kompilierung dauert dann auch »ein wenig«, ist aber problemlos. xfce ist resourcenschonend, aber trotzdem in Verhalten und Optik einem richtigen Computer ähnlich und sieht auch leidlich hübsch aus:

flickr-Bild: Gentoo with xfce on a Powerbook G4

Praxiseinsatz

Diese Woche war das kleine Powerbook dann unterwegs im Einsatz. Hat gut funktioniert, das episch kompilierte Gentoo läuft rasend schnell und ist auch beim Offenhalten eines Firefox mit 10 Tabs sehr genügsam, im typischen Einsatz benötigt es nicht mehr als etwa 300 MB RAM. Und das grausame WLAN-Gefrickel buchte sich tatsächlich automatisch in die verfügbaren Hotspots ein, einem technischen Wunder gleich.

Fazit

Eigentlich ist der Einsatz von Gentoo grotesk, jede Installation kann den Rechner für Stunden beschäftigen, vieles was selbstverständlich funktionieren müsste, erfordert ewige Frickeleien. Ohne meine 14 Jahre Linux-Erfahrung und dem reichhaltigen Refugium Google wäre ich daran grandios gescheitert. Der Frickelfaktor beim Einsatz von Linux auf einem Notebook ist auch 15 Jahre nach Erscheinen des Linux-Kernels 1.0 unverändert hoch, zumindest mit Gentoo und einem Powerbook.

Auf der »Haben-Seite« steht ein flottes System mit einer Grundausstattung für den elementaren Bedarf, ein »Eigenbau-Netbook«, dass dem kleinen Powerbook neues Leben einhaucht.



9 Kommentare


Stefan am 22.02.2009:


Ein sehr unterhaltsamer Bericht, aber wieso taucht an keiner Stelle das Wort Debian auf?

Fred am 22.02.2009:


Von Ubuntu statt zu Debian zu Gentoo überzugehen finde ich auch etwas seltsam, bin aber froh dass es geklappt hat ;)

krisz am 22.02.2009:


Der Frickelfaktor ist nicht so hoch, wenn man ein “normales” Notebook besitzt. In den letzten 2-3 Jahren hat sich da schon einiges getan, nicht zuletzt auch dank der Invasion der linuxbetriebenen Netbooks. Ich konnte die Entwicklung relativ gut mitverfolgen – ich habe 3 verschiedene Notebooks, das älteste läuft nun schon seit ~6 Jahren mit Linux.

onli am 24.02.2009:


Für einen Apple-Rechner stelle ich mir als Oberfläche eher E17 statt Xfce und Fluxbox als passend vor. Krisz hat zum Glück recht, normalerweise läuft eine Linux-Installation inzwischen etwas anders ab.

Glückwunsch zum Durchhalten.

Ralf G. am 24.02.2009:


Debian (zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung war die neue Version noch nicht da) ist mir einfach zu »abgehangen«. Was hier nicht erwähnt ist, ich brauche auch noch ein bisschen Ruby und Gems die andere Libraries brauchen, und die sind nach meinen Erfahrungen auf Rechnern anderer Leute bei Debian regelmäßig derartig veraltet, dass sich neue Gems nicht mehr »builden« lassen.

onli, E17 kenne ich gar nicht, sieht aber nach den Screenshots im Web interessant aus, kann man das Rechnerchen noch mal ein paar Stunden dampfen lassen. ;)

Andreas am 24.02.2009:


Respekt! Und, wie lange hat es gedauert? Auf meinem alten Dell Inspiron 5000 hatte ich nach 2 1/2 Tagen zum ersten mal KDE auf dem Schirm… ;)

Ralf G. am 26.02.2009:


Gute Frage, kann man schlecht sagen, nach der aufwändigen Installationsprozedur kann man den Rechner ja alleine kompilieren lassen. Im Gegensatz zu Ubuntu und Debian fällt Gentoo glücklicherweise nicht ein, mitten drin in einer stundenlangen Installation blöde Fragen zu stellen, ganz so als säße man selbstverständlich stundenlang davor und schaute dem Rechner beim Installieren zu.

Aber es werden locker so drei Tage gewesen sein, bis das alles kompiliert war. Die Hölle bricht halt los, wenn irgendein Programm qt- oder gtk-Abhängigkeiten hat, dann wird Zeugs kompiliert bis zum Abwinken und es dauert Stunden über Stunden.

ditsch am 03.04.2009:


Dass es von Ubuntu nur veraltete Releases gibt, stimmt nicht. Von Ubuntu 8.10 (Intrepid) gibt es nur eine Installer-CD, ok. Die Jaunty-Beta (die diesen Monat noch final wird) läuft allerdings bereits recht ordentlich und erfolgreich auf meinem iBook G4.

Gentoo ist aber wahrscheinlich im täglichen Einsatz schneller auf der Kiste…

Ralf G. am 04.04.2009:


ditsch, das mit den verfügbaren Ubuntu-Isos galt natürlich zum Zeitpunkt meiner Installationsbemühungen.

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