In diesem Krieg sind alle Tricks erlaubt
[Bild: »great patriotic war 2« – axiepics@flickr CC by-nc-nd, Thanx!]
In Deutschland tobt ein Krieg! Es wird um die Zukunft der überkommenen Medien im Web gekämpft. Verleger, Öffentlich-Rechtliche Sender und die gewählten Regenten dieser Republik sind der Ansicht, dass im Web jetzt mal »Schluss mit lustig« ist und Regulierungen her müssen. Politiker regulieren gerne, und die Verleger freuen sich stets über Regulierung, wenn sie ihren ökonomischen Interessen dient. Deshalb verläuft die Front derzeit zwischen der gemeinsamen Heeresleitung von Verlegern und Ministerpräsidenten (vor allem schwarzer politischer Couleur) auf der einen und den Öffentlich-Rechtlichen Sendern auf der anderen Seite. Die mögen zwar auch Regulierung, aber anders, sehen sie sich doch als Gralshüter des »Schönen Wahren Guten« gegen die fiesen kommerziell motivierten Meinungsmachtkonglomerate der Verleger.
Die Verleger führen den Kampf mit den ihnen zur Verfügung stehenden publizistischen Bodentruppen, besonders hervor tat sich dabei die FAZ, die seit Monaten mit tendenziösen Artikeln wie diesem die Öffentlich-Rechtlichen (ÖR) unter schweres Artilleriefeuer nimmt. Dass diese, insbesondere mit dem GEZ-Unwesen, mitunter ein leichtes Ziel abgeben, ist zwar wahr, ändert aber nichts an Schussrichtung und Motivation der Angriffe.
Gestern abend (30.4.08) schlug die ARD mit einem gezielten Raketenangriff zurück. Im Beitrag »Quoten, Klicks und Kohle« wurde über den Schatten des für die ÖR typischen Abwägungsgebot gesprungen und eine volle publizistische Breitseite abgefeuert. Nach dem bei »Wortfeld« zu lesenden durchgesickerten Entwurf eines neuen Rundfunkstaatsvertrag sollen die Aktivitäten der ÖR auf reine Sendungsbegleitung gedeckelt werden, was den Abschied für Angebote wie tagesschau.de bedeuten würde. Den Verlegern sind die Nachrichtenangebote der ÖR ein Dorn im Auge, denn wer sich dort umfassend informiert, besucht nicht mehr die ebenso seriösen wie informativen Klickstrecken von Angeboten wie welt.de, um dort als Klickvieh Seitenabrufe zu generieren. Der ARD-Beitrag nahm sich dem Thema auf unterhaltsam polemische Weise an und unternahm eine Reise durch die schöne neue Welt der Verleger im Web.
Die Botschaft zusammen gefasst: Die Verleger wollen die ÖR im Web weg haben. Der gesetzliche Informationsauftrag der ÖR ist in Gefahr, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger nur noch auf den niveauärmeren privaten Angeboten »informieren«. Autor Thomas Leif besuchte mit der Kamera die Chefs und Redaktionen der Verleger-Angebote im Web, und deren Motivation wurde hervorragend herausgearbeitet. Die Verleger merken, dass die alten Medien Seher und Leser verlieren und wittern nun im Web das Geschäft. Hier können sie expandieren, nun auch Fernsehen machen, das sie aber lieber »Videojournalismus« nennen, denn Fernsehen in Deutschland unterliegt bekanntlich strengen Regeln. Zuschauer, die lieber auch im Web den (m.E. im großen und ganzen hervorragenden) Journalismus der Tagesschau aufrufen, statt sich den etwas einfältigen »User-Generated-Häppchen-Content« à la Zoomer rein zu ziehen, stören das Geschäft.
Apropos, besonders unterhaltsam war der Besuch bei zoomer.de. Fremdschämen war angesagt als ein Zoomer-Redakteur befragt wurde und eigentlich nicht so recht wusste, was er bei Zoomer so treibt. Und es gab einen unrühmlichen Auftritt von Mercedes Bunz, Online-Chefredakteurin des Tagesspiegels (von Holtzbrinck, die auch hinter Zoomer stehen), die Leif mitteilte, dass sie alles, was die ARD dort gedreht hat, vor der Veröffentlichung erst kontrollieren möchte. Im Schützengraben des publizistischen Stellungskriegs redet man halt anders als auf den Podien der »Web-Yeah-User-Super-Freiheit«-Zusammenkünfte dieser Republik, das war die ganz alte Schule…
Leider gibt es den Beitrag (noch?) nicht komplett online zu sehen Den Beitrag kann man online anschauen (links, »Herunterladen«), auf der Website zum Film kann man auch nur einige der im Film gezeigten Interviews anschauen.
Der Staatsvertrag ist so nicht akzeptabel, darum stimme ich Netzpolitik zu, dass die Ministerpräsidenten ein wenig bearbeitet werden müssen. Das Web ist groß, es ist Raum für die benutzergenerierten Infohäppchen für die Pisa-Generation, Tennis-Spielerinnen-Po-Klickstrecken »seriöser« Zeitungen als auch bewährte Qualität à la Tagesschau. Auf keinen Fall darf das Web den Verlegern, die mit ihren regionalen Konglomeraten in vielen Regionen sowieso ein Print-Meinungsmonopol haben, als publizistisches »Geld-Verdien-Reservat« per Staatsvertrag zugeschlagen werden. Wenn wir ÖR wollen, muss es sie auch in der gewohnten Form im Web geben, die Verleger haben sich dieser Konkurrenz zu stellen.
Wer in diesem Krieg gar nicht vorkommt, sind wir, die wir »Web-2.0-mäßig« Inhalte unterhalb des Radars erzeugen. Das ist nicht das Schlechteste. Denn in einem Punkt sind sich die Kriegsparteien einig: Das mit dem Web jeder einfach so, am Ende auf eigene Rechnung und mit eigenen Produktionsmitteln, seine Inhalte einstellen kann, das geht auf keinen Fall…
4 Kommentare
oliver gassner am 01.05.2008:
Hm, wollen wir dann auch ÖR Zeitungen? Und Literaturverlage? Und wenn ja, warum nicht? (Durchaus ernst gemeint…)
Generell hat deine Argumnetation massiv für sich, wobei mir immer noch eine andere Netzutopie vorschwebt.
Sagen wir mal ins Unreine: Was, wenn das ‘nächste Google’ funktonieren würde, wie MIGROS – also: ‘das soziale Kapital’ / Genossenschaft.
Supergern incl. Kulturprozent.ch
strange am 01.05.2008:
Kleine Ergänzung:
Der Film steht zwar nicht als ganzes zur Verfügung. Unter der URL http://www.swr.de/daserste/quoten-klicks-und-kohle/-/id=3436570/vbijck/index.html
findet man ihn aber in einzelne Kapitel zerlegt.
Boris am 02.05.2008:
Hm.. warum eigentlich nicht “ör” Zeitungen oder genossenschaftlich organisiertes Informationswesen. Idee, die man durchaus mal diskutieren müsste.
Der Trend geht momentan ja eher – politisch gewollt – in die exakt gegensätzliche Richtung zur völligen Privatisierung/Kapitalisierung von Information und Wissen.
Ich zähle zu meinen Informationskanälen jedenfalls auch und gerne tagesschau.de, nicht jedoch die Reklameklickstrecken der Zeitungsverleger oder gar der Privatsender.
Was das “sich der Konkurrenz stellen” angeht, herrscht hierzulande eher wie in allen durch Lobbyismus verseuchten politischen Bereichen eher die Wahrheit, die sich hinter den neoliberalen PR-Parolen verbirgt: Konkurrenz wird nicht am Markt bekämpft, man entledigt sich ihrer durch Gesetzgebung oder geeignete politische Rahmenbedingungen.
Wofür bezahlt man schließlich “Leih-Beamte” … ;.)
Hans am 05.05.2008:
Genau, lasst die Leifs dieser Republik auch noch Zeitung machen. Die Inhalte dafür werden ja schon produziert. Im Gegenzug eine kleine GEZ-Erhöhung: Macht doch nix.
Der SWR-Chefreporter hat sich mit seinem Beitrag selbst entlarvt. Denn mit Qualitätsjournalismus nix zu tun. Das war billige PR.
Die pöhsen Verleger wollen ja nur Geld verdienen. Puhuhuhu. Angst. Ich lach mich tot.