»Alle Dinge sind im ewigen Fluss, im Werden, ihr Beharren ist nur Schein!« sagte angeblich einst der griechische Philosoph und Sprücheklopfer Heraklit. Da hatte er zeitlos Recht, auch wenn er vor gut 2500 Jahren naturgemäß nichts von unserer elektrisch-digitalen Gegenwart wusste…
Was ich damit eigentlich sagen möchte: Als letztes Stück der »Neuordnung der digitalen Assets« ist dieses in letzter Zeit etwas vor sich hinmodernde Blog mal wieder umgezogen. Es geht zurück auf die schon einmal von 2006 bis 2009 genutzte alte Domain uninformation.org:
uninform.at -> uninformation.org
Dabei werden auch alle teilweise schon jahrelang bestehenden Weiterleitungen anderer Feed-Adressen abgeschaltet und es gibt nur noch den einen »amtlichen« Feed:
Die Domain uninform.at wird in Kürze dichtgemacht. at wird immer teurer, außerdem soll das Löschen natürlich auch ein »Schnitt« sein, was mit dem alten Twitter-Namen schon ausgezeichnet funktioniert hat. Das ist der erste Schritt, in den nächsten Wochen soll dann das Blog noch vom seit 2002 archivierten Premium-Content entlastet und irgendwie »neu und frisch« werden.
Bloggen AD 2023 ist in gewisser Weise ein Neubeginn. Die »Blogosphäre« und »Social Media« aus den »Nuller-Jahren« existieren nicht mehr. Ihre verkohlten Trümmer sind im »Freund-Feind-Denken« gefangene digitale Schützengräben, aus denen rund um die Uhr borniertes Meinungs-Geplärre gefeuert wird. Ganz zu schweigen vom »bösen Elon« und der Zerfaserung der Trümmer von »Social Media« in diverse Dienste, die alle der Nachfolger von Twitter/X werden wollen. Die neue digitale Unübersichtlichkeit!
Immerhin hat der innere und äußere Zerfall des »Social Media« der Nuller-Jahre zu einer kleinen Renaissance des Bloggens geführt. Das eigene kleine digitale Reich als Ankerpunkt in eben jener neuen digitalen Unübersichtlichkeit…
»Just as most people are not going to stop eating fast food because home cooking is better, they’re not going to abandon social media because blogging is awesome. But that doesn’t mean you have to line up for a Big Mac. And it doesn’t mean your internet experience has to suck.«
Beim Rummachen im Projekt-Verzeichnis dieses kleinen zähen Weblogs stellte ich überrascht fest, dass im just begonnenen Jahr 2022 mein allererster Blogeintrag (verfasst im nonchalant-polemisch-lockeren Stil der damaligen Weblog-Zeit) seinen 20. Geburtstag feiern wird, so das Internet bis Mai nicht noch zur Vermeidung der Überlastung des Gesundheitssystems verboten wird.
Das ist eine durchaus lange Zeit, und wer damals dabei war, ist nun alt (das Bild zeigt einen Blogger der frühen Nuller-Jahre beim Bloggen). Aber die Welt und die Zeiten ändern sich!
»20 Jahre später sind Blogs, von löblichen, aber doch eher wenigen Ausnahmen abgesehen, etwas, das Firmen anstelle eines Newsletters betreiben oder auch zusammen mit einem solchen. Der Bär steppt anderswo, und er steppt zum Teil auf erschreckend niedrigem Niveau. Die sozialen Verknüpfungen, die wir uns vor 20 Jahren erhofft haben, und die damals auch durchaus zustande kamen, finden heute als, nun ja: Service von privatwirtschaftlichen oder auch staatlich kontrollierten Konzernen statt (…) Schade eigentlich. Ist Bloggen im klassischen Sinne wirklich das neue Strümpfestricken geworden, harmlos und nicht sonderlich populär?«
Glückwunsch zum Durchhalten, 20 Jahre sind ja schon ganz schön lang.
Und wie immer, wenn jemand von »uns alten Bloggern« ein rundes Jubiläum nutzt, um auch mal wieder was zu bloggen, denkt man sich: »Hach ja, eigentlich ist Sachen im eigenen digitalen Haus rauszuhauen viel besser als die Daueraufgeregtheit angeblich ›sozialer‹ Netzwerke.«
Zumal die »sozialen« Netzwerke zunehmend unbenutzbarer werden. Nachdem das daueraufgeregte Politgetröte Twitter außerhalb meines wohlkuratierten kleinen Fußball-Kosmos im Grund schon die letzten Jahre zunehmend unerträglich gemacht hat, haben im Zuge von Corona leider nun auch langjährige Wegbegleiter (teilweise noch aus den »alten Blogzeiten«) den Verstand verloren und dem guten alten Twitter den Garaus gemacht. Ich bin nicht mehr bereit, mir dieses ständige anklagende Rumgeheule Tag für die Tag auf Bildschirme aller Art zu holen. Und da Facebook eh immer indiskutabel war, Insta außerhalb meiner kleinen Fußballnische ein Rummelplatz halbnackter junger Damen ist und das mit Mastodon und Co. den Startzustand thematischer Selbstbeschäftigung nie so recht verlassen hat, hat sich das mit »Sozialen Netzwerken« eigentlich im Großen und Ganzen erledigt…
»Delete all your social media accounts, brush up on your language skills, and just write. Any subject will do. And remember: practice makes perfect. Blogging separates the thinkers from the blabbers.«
Gute Idee. Schöner Vorsatz. Müsste man dann halt auch machen! Lasst uns Strümpfe stricken! 😀
»Medium is cancer. A trojan horse. It’s Facebook. But for blogging. A walled garden behind which all your favourite content lives, and yet you are forced to login via their shitty UI, or worse still pay for access.«
Ich habe es nie benutzt, das Bloggen in einem fremden Datensilo erschien mir von Anfang an zu »unbloggig«. Allerdings habe ich mich durchaus schon öfter geärgert, wenn ein interessant erscheinender Link in twitter und Co. aufkreuzte und nach den Click oder Tatsch erst einmal ein Fenster von Medium aufpoppt, das einem einen Account andrehen will weil man diesen Monat schon zwei Artikel gelesen hat.
Der Rant endet mit den wahren Worten:
»How’s about we starting taking responsibility for the absolute decimation of the traditional web. You know. That old internet that used to be open and free.«
Brett Terpstra in seiner lesenswerten Betrachtung »On blogging, ethics, and thin skin«: »There’s a code of ethics in blogging (…). Stick with it. Reader trust is both vital and fickle. Don’t lose it.« Und: »Bloggers, remember that the loudest commenters are always the assholes.«
In »WordPress, Hugo & Digitale Teilhabe« wird anlässlich der »DSGVO-Blog-Abschaltwelle« der Bogen gespannt von den Anfängen der Bloggerei, der Weltherrschaft von Wordpress, den aktuellen Trends zu statischen Blogging-Systemen wie Jekyll, Hugo, Hexo, Gatsby und Co. bis hin zum Anspruch, seine Inhalte nicht in irgendeiner Plattform zu versenken, sondern unter eigener Domain und eigener Kontrolle zu halten.
Soweit so gut und lesenswert, doch IMHO geht es dabei inhaltlich ein wenig durcheinander. Ich kontrolliere meine Inhalte selbstverständlich auch dann, wenn ich auf meinem Server oder Webspace ein Wordpress installiere. In der Hinsicht unterscheidet sich das nicht von statisch generierten Webseiten, natürlich muss ich dann für die Daten auf dem Server eine Backup-Strategie haben. So wie ich das auch für mein Verzeichnis mit Markdown-Dateien auf meinem Computer daheim haben muss.
Und am Ende heißt es, als statische Generatoren als einfachere Alternative zu Wordpress und Co. vorgeschlagen werden:
»Der überwiegende Teil alle der Auftritte, die im Zuge der DSGVO panikartig abgeschaltet wurden, ging deshalb vom Netz, weil die Betreiber schlichtweg keine Ahnung hatten, was da alles passiert.«
Nach meiner Erfahrung wird aber jemand, der durch ein doch relativ übersichtliches (sofern man es bei Themes und Plugins nicht übertreibt) System wie Wordpress nicht durchblickt, mit statischen Generatoren auch nicht glücklich werden. Ohne Kommandozeile kommt man praktisch nicht aus, man muss die benötigten Komponenten installieren (je nach System mit Ruby und RubyGems oder man begibt sich gar in die selbst unter Entwicklerinnen und Entwicklern verhasste »npm-Hölle«) und sich ein Deployment (Übertragen der fertig gerenderten Website zum Hoster oder Server) überlegen. Nicht umsonst war die erste »Catchline« der ersten Jekyll-Versionen damals »Blogging for Hackers«…
In »Warum Markdown« liefert Armin Hanisch dann noch eine schöne Einführung in Markdown. Früher war ich eigentlich eher der Typ für Textile, aber es ist wie mit VHS vs Beta oder Windows vs Mac: Das bessere System hat verloren und man gewöhnt sich auch an Markdown…
Grundsätzlich finde ich es natürlich hervorragend, dass durch DSGVO, die »Datenkonzerne« und dem modischen Trend zu statischen Generatoren das Bloggen auf dem eigenen digitalen Grundstück wieder einen zarten Aufschwung nimmt. Weiter so!
Wenigstens ein paar Konstanten gibt es in diesen unsteten Zeiten: Viele der »alten« Blogger von »damals« (als wir noch eine »Blogosphäre« hatten) sind noch da oder kommen wieder. So auch Konstantin, dessen Bloggerabschied nicht allzu lange andauerte. Und das auch noch hypermodern mit Hugo, einem rasend schnellen Generator für statische Seiten (via Schockwellenreiter, auch so ein »Alt-Blogger«…).
Hugo habe ich mir auch schon mal angeschaut. Das Ding ist in Go geschrieben und wirklich rasend schnell. Letztendlich bin ich bei Jekyll geblieben, weil Ruby halt »meine« Programmiersprache ist und ich mir, wenn ich ein Feature für die Blogs brauche, stets mit einem kleinen Plugin zu helfen weiß. Was in Hugo deutlich komplizierter ist.
Das ist ein Titel, was? Könnte von einer dieser neuen Clickbait-»Nachrichten«-Seiten stammen…
Auch wenn mein auf dem Server gehosteter RSS-Reader Fever seit Dezember 2016 »discontinued« ist, funktioniert er noch stets, wie all die Jahre vorher, einwandfrei und wird täglich benutzt. Ein Manko: Es gibt keine Funktion für »kaputte« oder »aufgegebene« Feeds. So ging ich in den letzten Tagen einmal die Folder durch und checkte alle Feeds. Mittlerweile sind von einst 385 Feeds noch 262 übrig geblieben, Blogs und Feeds kommen und gehen halt…
Dabei sind mir drei Unarten aufgefallen, die mit geringem Aufwand (und ein wenig Aufmerksamkeit für die Leserinnen und Leser des eigenen Blogs) vermieden werden können:
Es gibt keinen Link zum RSS-Feed! Ja, »Autodiscovery« im head-Bereich, schön! Aber manchmal möchte man einfach die Adresse des Feeds sehen. Die meisten Blogs sind voller Links auf allen möglichen Kram, warum ist dann ein Link der »RSS« heißt ein Problem?
Die Feed-Adresse wird geändert und man macht keine Redirection von der alten Adresse! Was erwartet Ihr, dass jede(r) nichts anderes zu tun hat, als jeden Tag zu checken, ob sich bei irgendeinem Blog im Reader die Feed-Adresse geändert hat?
Blog-Einträge ohne Datum! »Umgekehrt chronologische Artikelliste« ist das, was ein Blog von alters her ausmacht. Die ist aber relativ sinnlos, wenn bei den Artikeln kein Datum steht. Überall wimmelt es in Deinem Blog von Zeugs mit zweifelhaftem Wert (Newsletter-Abo-Boxen, »Like mich«-Aufforderungen, etc. etc.), aber ein Datum unter den Artikel/die Überschrift/wo auch immer passte nicht in das elaborierte Designkonzept?
Alle Leserinnen und Leser bitten um freundliche Beachtung. Danke, weitermachen!
Niemand mag XML. Das Problem dabei: Wenn man mit RSS und Atom, den Standard-Syndikalisierungsformaten seit Anbeginn der Weblog-Zeit (also ca. 2001), rummachen möchte, muss man sich wohl oder übel mit XML auseinander setzen. Ein unhaltbarer Zustand. Dachten sich auch Brent Simmons und Manton Reece und erfanden ein neues Syndikalisierungsformat, diesmal aber auf Basis des viel leichter zu handhabenden JSON-Formats: JSON Feed.
Eine gute Idee, die sich auch schnell mit Jekyll implementieren lässt…
»Die ursprüngliche Idee eines Weblogs war ja: Links die man aufgespürt hat für den Rest der Menschheit (und natürlich sich selbst, wer weiß heute schon noch welche Site er vorgestern besucht hat) zu dokumentieren und zu veröffentlichen, so dass nach und nach ein persönliches "Netztagebuch" entsteht in dem sich individuelle Interessen und Präferenzen dokumentieren.«
Immerhin habe ich es geschafft, wenigstens jedes Jahr einmal etwas ins Blog zu schreiben und (fast) alle jemals rausgebloggten Inhalte (dank eines stets durch die Jahre mitgeschleppten Codebatzens für diverse Redirects von diversen Domains) unter ihren damals veröffentlichten URLs zu erhalten. Hier im Archiv ist noch alles verfügbar.
Und heute? Die kleinen Notizen und Links, die damals den Charme des Bloggens ausgemacht haben, sind zu Twitter und Co. abgewandert. Nicht nur Dave Winer bedauert das. Medium ist ein heißes Ding, ich mag es nicht, in einem fremden Silo bloggen ist mir zu »unbloggig«.
Viele bloggen unverdrossen durch (wie der oben erwähnte Schockwellenreiter), oder wieder (wie Konstantin), oder kehren zu ihren Blog-Wurzeln zurück (wie Nico).
»On blogs, I can read most of the long-form writing that’s worth reading about the art and craft of programming computers. Or I can follow most of the economists’ debates that are worth having. Or I can check out a new photographer every day and see new a way of seeing the world.«
Einen schönen Meta-Artikel über das Bloggen in diesen Zeiten gibt es beim Herrn ix zu lesen: »push und pull«. Besonders gut gefällt mir diese auf den Punkt gebrachte Zusammenfassung der Motivation:
»bloggen als selbstbefriedigung, schreibübung und welt- und wahrnehmungs-verdauungshilfe.«
Gestern war es soweit: Ich habe mein letztes Textpattern abgeschaltet. Das erste Blog »das Netzbuch« moderte in seinem guten alten Textpattern noch fröhlich auf dem Server herum, nach all den Jahren noch stets eifrig besucht von Bots und Google-Kundschaft, ca. 300 bis 400 Visits/Tag. Was schon erstaunlich ist, wer einmal in der Maschine steckt bleibt für immer drin…
Im Rahmen einer »Weblog-Archiv-Konsolidierung« wurde alles Erhaltenswerte in Textile-Dateien konvertiert (dazu mehr hinter dem »Weiter«) und mit Jekyll in statisches HTML umgewandelt, damit man sich nicht wg. eines 10 Jahre alten Blogs ständig um Updates des CMS kümmern muss.
Nun kann das ganze gebloggte Geseier aus 14 Jahren fröhlich, ohne Angst vor dem ge0wned-werden, auf dem Server herummodern. Die gesamte Blog-Historie dieses kleinen Blogs, das erst »das Netzbuch« (von 2002 bis 2006), dann »uninformation.org« (2006 bis 2009) und seit 2010 »der Uninformat« heisst, ist nun im Archiv zugänglich.
Da Twittern über Fußball nicht mehr ausreicht und ich dieses kleine Blog für das Problematisieren über die Welt bereit halten möchte, habe ich ein Fußballblog gestartet, mit so einer neumodischen TDL: ballreiter.futbol. Denn: »Mein Freund ist aus Leder!« Natürlich mit Jekyll, das mir immer besser gefällt je mehr ich damit arbeite.
Glückwunsch zum 10. Geburtstag. War von Beginn an im Feedreader unentbehrlich. Und wird es bleiben, denn: »Der gesellschaftliche Kampf um die digitale Gesellschaft hat gerade erst begonnen.«
Für das Geblogge im Umfang zwischen kurzem Tweet und eigenem Blog-Eintrag suche ich noch die passende Form, fürs Erste probieren wir es mal mit der beliebten Form des »Sammel-Artikels«.
»Entweder … die Realität in diesem unserem Internet ist so, wie es uns Edward Snowden erklärt hat. […] dann hat Enzensberger Recht: Dann müssen wir unsere Smartphones wegwerfen. Oder aber […] die Überwachung durch Staat und Konzerne ist am Ende bedeutungslos für unsere Freiheitsrechte, für unsere gefühlte Freiheit […]«
Und das nächste große Ding in Entwicklerkreisen ist ein neuer Editor von Github namens atom.io, den noch kaum jemand hat (man benötigt eine »Invitation«). Was aber klar ist: Das ist ein Editor der mit Browser-Technologie läuft. Ich begegne solchen Ideen ja eher mit eine gewissen Grundskepsis wie Mike von »A fresh Cup«:
»I think a text editor carting around the baggage of a web browser is a non-starter, but I'm just an old fuddy-duddy I'm sure.«
Also mal wieder Weblog. Die letzten Jahre schrieben wir alle nur noch die Social-Networks voll und füllten die Datensilos mit all unseren schönen Sachen. Die »sie« dann mit verkaufen, für Summen die das Bruttoinlandprodukt afrikanischer Staaten übertreffen. Und eines Tages ist alles weg. Muss ja nicht sein!
Das bestehende Weblog war zwar sehr hübsch, schrie aber von seiner ganzen Anmutung nur »fülle mich mit langen schlauen Artikeln« in die Nacht hinaus. Manchmal soll es aber auch nur etwas kurzes Dummes sein.
Darum versuchen wir es also mal wieder mit dem Wald- und Wiesenbloggen in veränderter Form. Unbeeindruckt vom grassierenden Relevanz-Getue. Wie einst im Mai.
Dieses Ding hier ersetzt auch den alten Tumblr unter uninformat.io. Wir wollen ja weg von den Datensilos in »ihren« Händen…
»Kommerzielle Blogs sind keine Blogs. Deshalb können sie auch keinen Einfluß haben. Im Gegenteil: Gerade mit der Kommerzialisierung benimmt sich ein Blogger seines Einflusses. Er macht sich gemein mit den „Professionellen“, die nach dem Brot gehen und ihren Werbekunden verpflichtet sind. So entstehen rasch Interessenkonflikte und Abhängigkeiten. Er verliert seine Glaubwürdigkeit. Das Blog degeneriert zur „Plattform“, zur Werbeplattform nämlich. Es wird zum „Format“, das befüllt werden muß, um ständig neue Leser zu ziehen – siehe oben. Die Kommerzialisierung ist keine Lösung, sie bringt nur Probleme mit sich.«
Das haben »wir alten aus der alten Bloggerzeit« ja schon damals gesagt. Es fehlte nicht an Versuchen, wir erinnern uns an schauerliche Monetarisierungsversuche wie bezahlte Auftrags-Blogeinträge für den Gegenwert von zwei Kästen Bier. Oder sehen täglich »Pro-Blogs« Banalitäten zu Artikeln aufblasen weil ja wg. der Werbung täglich etwas im Blog stehen muss. Und wir erinnern uns auch an die schon vor 10 Jahren ausufernd diskutierte Relevanz-Huberei. Bloggen reicht nicht, nein, es muss die Massen mobilisieren und bei Schirrmacher und Co. das blogferne Bildungsbürgertum erreichen. Nö. Bloggen lebt, gerade in den angeblich »irrelevanten« Nischen. Und das prächtig.
»The last time I wrote on my blog with any kind of regularity was early 2008. […] I’ve tried to write since. It’s not come. I was finding myself over-thinking my words. They’d seem to me try-hard poetic, and I prefer to write the way I speak. Or I didn’t have anything to say. Anything I said was obvious. Or I’d over-explain.«
Das geht wohl allen so, die früher mal regelmäßig ins Netz geschrieben haben: Es ist schwieriger als man denkt, zurück zu der Regelmäßigkeit und Selbstverständlichkeit zu kommen, mit der man damals Zeug raus gehauen hat. Da kommt man, wie Matt schreibt, wohl nur durch’s »Drauflos-Schreiben« raus. Ist heute auch schwieriger, gerade »Aktuelles« ist nach kürzester Zeit in Twitter und Co. sowas von durchgenudelt, dass die innere Relevanzaxt das zarte Pflänzchen eines Blog-Textes gleich wegholzt. Da hilft nur, um noch mal Matt zu zitieren: »Okay, fine, do it anyway.«
Ein gutes neues Jahr den Rest-Leserinnen und -Lesern, möge Euch das Jahr 2011!11 Gesundheit, Wohlstand und Erfüllung in jeglicher denkbarer Hinsicht geben!
Test, Test, Test – scheint zu funktionieren. Sie sehen ein frisch renoviertes Blogsystem, mein persönliches Dauerprojekt, rübergehoben auf Rails 3. Was nicht so einfach war, da es eben ein Dauersystem ist, steckt da noch Code drin, der mal für Rails 1.0 geschrieben wurde.
Eigentlich macht die Programmierung eines solchen Systems fast mehr Spaß als dann etwas damit zu schreiben, aber wir wollen nicht für die Galerie programmieren und es nun aber wirklich mal benutzen.
Arbeitspferd ist noch stets ein Mac mit Mac OS X, mittlerweile sind wir bei einem Macbook Pro in der Größe 13 Zoll angelangt. Seit dem »Switch« 2003, damals, als einen Mac zu benutzen noch nicht dazu führte, den Nutzenden automatisch in den großen Klub der für kühle Produkte die Freiheit des Netzes durch vom Steve kontrollierten rigiden Entertainment-Kommerz abwürgenden Tech-Poser zu verorten, hat mich Mac OS X noch nie im Stich gelassen. Es gab keine Überraschungen durch nicht funktionierende Dinge nach Systemupdates. Es gab keine Ausfälle zum falschen Zeitpunkt.
Wenn mal eine Deadline etwas »dead« wurde lag es an mir, nicht an Problemen irgendwelcher Art mit dem System. Diese Grundzuverlässigkeit, meine Damen und Herren, ist bei der Nutzung von Computern das Allerwichtigste. Darum müsste Steve schon eine ordentliche Armada von Kontroll-Daumenschrauben neben dem bösen App-Store auffahren, um einen Systemwechsel für mein Produktionsmittel »Computer« bei mir herbei zu führen.
Was nicht heisst, dass man nicht über den Zaun schaut. Auch in Sachen Linux war ich einigermaßen aktiv, dazu mehr in einigen Beiträgen in der näheren Zukunft. Und Windows… [An dieser Stelle mögen Sie sich, verehrte Leserin, verehrter Leser, bitte ein hysterisches Gelächter denken!]
Von der Wolke aka »Cloud« halte ich für alles, was über »digitale Wegwerfware« wie Tweets hinaus geht, gar nichts. Nicht zuletzt die Amazon-vs-Wikileaks-Geschichte zeigt sehr deutlich, worauf man sich einlässt, wenn man die Herrschaft über seine digitalen Dinge in die Hände irgendeines Unternehmens gibt.
Mobil bin ich mit dem »bösen« iPhone unterwegs. Eigentlich ideologisch untragbar für einen Fanatiker wie mich, aber es gibt so recht keine Alternative. Was ich von Android gesehen habe, hat mich nicht überzeugt, es erinnert doch von der ganzen Anmutung fatal an diese vergangene Mobiltelefon-Welt, die Apple durch das iPhone zermalmt hat. Und mobiles Windows… [An dieser Stelle mögen Sie sich, verehrte Leserin, verehrter Leser, bitte ein hysterisches Gelächter denken!]
Was wir 2010 ausgelassen haben: Das iPad, keinen rechten Bedarf dafür gefunden. Für den kleinen Datenhunger zwischendurch reicht das iPhone, für die große Datenmahlzeit gibt es das Macbook. Auch ein denkbarer Einsatz als Gerät für die Teilung der digitalen Arbeits- und Freizeit des selbständigen WebWorkers kann mich nicht so recht überzeugen, weder die künstliche Trennung noch der Einsatz des iPads als »Flachbildfernseher mit interaktiver Komponente«.
Schauen wir also, was uns Zwanzig11 bringt. Vielleicht auch ein paar Blogeinträge…
Da sind wir also wieder mal. Wer mir auf Twitter folgt wird wissen, dass ich ja nicht »weg« war aus dem Netz, sondern in erster Linie in kurzen Worten problematisiert habe und eine gewisse, nach nunmehr fast 8 Jahren seit der Eröffnung meines ersten Blogs »das Netzbuch« eigentlich auch durchaus normale Blogmüdigkeit sich breit machte.
140 Zeichen sich aber irgendwie doch nicht genug für mein mitunter ausgeprägtes Mitteilungsbedürfnis. Letztens habe ich mal wieder festgestellt, wie praktisch es ist, in eigenen richtigen Texten von vergangenen re:publicas zu schmökern. Von damals, vor den großen Twitter-Kriegen, als man noch gebloggt hat. ;)
Nun also die III. Inkarnation, mal wieder unter einer neuen Domain und einem neuen, der II. Inkarnation angelehnten Namen: »Der Uninformat«.
Dieses Mal gibt es kein irgendwie geartetes dann doch nicht einzuhaltendes Konzept. Ich werde einfach konträr zu der von Social-Media-Beratern und anderen, vorwiegend in den sterbenden Strukturen des Papierjournalismus beheimateten Relevanzfaschisten verkündeten Weisheit »oh oh oh oh, Du musst Deine fokussierte Nische finden damit Du relevant bist beim Bloggen, Baby« wild ins Blaue hinein schreiben.
Hinter den Kulissen arbeitet ein renoviertes Multi-Blog-System in Rails. Das Rumeiern mit Systemen wie Textpattern und dem damit verbundenen ständigen unversionierten Rumfrickeln in Textareas halte ich in keinster Weise für zeitgemäße Web-Entwicklung, das musste alles weg. Mein diesbezügliches Blog- und Tool-Universum ist nun komplett PHP-frei.
Da mein Blog auch immer mein technisches Spielzeug ist und war, habe ich hier mal ein bisschen was reingehauen, was HTML5 und Webfonts angeht, mehr dazu in einem späteren Beitrag. Mir ist klar, dass es Probleme in 10 Jahre alten Windows-Schleudern mit pixeliger Schriftdarstellung geben könnte, aber ich probiere einfach mal und schaue, was so an Echo kommt. ;)
Auf ein neues, mal schauen ob und was dieses Mal dabei heraus kommt.
Früher, da war alles besser. So um 2004 herum, da schrieben viele bloggende Helden Inspirierendes und Kluges über das Erstellen von Websites. So klug, dass (u.a.) daraus die »Web-Standards-Bewegung« entstand.
Nun haben wir 2009. Die Helden von damals genießen ihren Ruhm durch das Verkaufen von Büchern und dem Halten von Vorträgen. Bloggen tun sie höchstens noch, wenn ein neues Apple-Gadget erworben wurde. ;) Das sei ihnen gegönnt, denn nach den alten Helden sollten, wie überall im Leben, neue Helden kommen.
Und da ist das Problem. Wir finden eigentlich nur noch das hier:
Listenbloggen nach Schema F, Ausgabe »Smashing-Magazin«. Uninspiriertes Raushauen möglichst umfangreicher Listen, die dann wie blöde überall verlinkt und in Deli abgelegt werden und die Werbe-Einnahmen befeuern sollen. Wenn diese Liste tatsächlich die »The 21 Most Popular Blogs for Web Designers« enthält, dann ist das nicht weniger als eine Bankrotterklärung. Die sehen alle gleich aus (siehe schematische Darstellung oben), enthalten alle ähnliche Listen. Eigentlich wirkt die Zusammenstellung fast unfreiwillig satirisch…
Uninspiriertes Listen-Schema hin oder her, vielleicht liegt es auch an mir, ich kenne einfach nichts Gutes mehr. ;)
Also, raus mit der Sprache, wo sind die Blogs, die auch 2009 in guter Schreibe inspirierende und kluge Dinge über das Erstellen von Websites bloggen, auch mal jenseits des Anfängerniveaus und vor allem, in ganzen Sätzen und nicht in Listen?
Bitte herein damit in die Kommentare. Danke.
P.S. Ich bin mir durchaus bewusst, dass in solchen Dingen »selber besser machen« angesagt ist statt andere Blogschreiber zu »dissen«. Braucht man also nicht in die Kommentare zu schreiben. ;) Es geht hier nicht um mich oder andere Blogger, sondern um die stets vorhandene gewaltige und alles umfassende Meta-Ebene über den konkreten Dingen.
Der Tag ist nicht mehr fern, wir sind auf dem besten Weg dahin, da transportiert das so genannte »Social Web« nur noch eine »Message«:
»Kauf, Leser. Hörst Du nicht? Kauf, Leser, Du Sau, kauf endlich!«
Ich negiere nicht die individuelle Notwendigkeit eines Netz-Publizisten, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, wenn aber der Feed eines bekannten deutschen Mac-Weblogs nur noch aus Überschrift, Lamer-Bar-Links und fettem Werbe-Banner besteht, dann ist einfach ein Punkt erreicht, wo ich mir sage:
Nö Du, Blogger, Publisher, was auch immer, ich abonniere das nicht mehr.
Das ist natürlich zunächst einmal nur mein höchstpersönliches Problem. Es ist aber meine Überzeugung, dass jemand, der für seine treuen Leser, und das sind ja in der Regel die, die einen Feed abonnieren, keinen Inhalt, sondern nur noch ein »Kauf, Du Sau« übrig hat, auf die Dauer diese treuen Leser verlieren wird.
Wann immer in der Welt etwas Schlimmes passiert, trompetet es durch das Netz: »Jaaaa, wir hier im Web 2.0 sind ja soooooo viel schneller als diese ganze komischen langsamen Hanseln in den alten Medien.« Twitter, everybody’s web darling – zumindest, wenn es gerade nicht an Skalierungsschmerzen leidet – wird in diesem Zusammmenhang stets besonders lobgepriesen. Ob Erdbeben in China oder Rauch über Berlin, über Twitter erfährt man sofort davon.
Die Frage ist nur: Was habe ich davon, ist Geschwindigkeit überhaupt eine unumstrittene Tugend auf dem weiten Feld der Information?
Rückblende: 2002, der so genannte »11. September« war noch frisch. Drei- bis viermal im Monat gab es auf dem (oft auch »so genannten«) Nachrichtensender n-tv ein journalistisch entwürdigendes Spektakel zu bewundern. Wann immer in den USA irgend etwas passierte, bspw. ein brennendes Auto an einem Flughafen (was dann letztendlich nur ein Unfall war), wischte n-tv sein Programm beiseite und hing sich, ganz Zweitverwerter, an die stundenlangen Übertragungen der sensationslüsternen amerikanischen TV-Networks, offenkundig von der Hoffnung beseelt, das »nächste große Terror-Ding« live auf dem Sender zu haben. Letztendlich aber wurde eine Menge Sendezeit für irrelevantes Zeug geopfert.
Zurück in das Jetzt. Es ist die Zeit des »benutzererzeugten Inhalts«, und wenn Frau oder Herr Bürger, ausgestattet mit technischem Equipment zur direkten Übertragung in Ton, Wort und Bild, etwas Aufregendes erlebt, so geben sie in der Regel dem Drang nach, der Welt davon zu erzählen. Und in den Zeiten 2.0 kann man »der Welt davon erzählen« durchaus wörtlich nehmen.
Aber es hat einen guten Grund, dass nicht für alles und jedes die Programme unterbrochen werden: Es geht nicht nur um Geschwindigkeit, sondern auch um Fakten sammeln und Einordnen des Geschehens. Ohne natürlich die Opfer verhöhnen zu wollen (man weiss ja, alle kriegen alles in den falschen Hals), aber es ist egal, ob ich von einem Erdbeben in China jetzt, in der nächsten Tagesschau oder erst am nächsten Morgen aus der Zeitung erfahre. Dass Twitter schnell ist, ist schön. Aber wertlos, so lange der Bürgerjournalimus 2.0 nicht einordnet, sondern lediglich die »Klein-Fritzchen erlebt auch mal etwas Aufregendes«-Perspektive durch die technischen Möglichkeiten in die ganze Welt befördert. Das Glorifizieren der Geschwindigkeit ist lediglich ein Berauschen an der plötzlich zufallenden technischen »Macht«.
»So berichtet Jörg Armbruster, der bis 2005 für die ARD im Nahen Osten war, wie ihn ein Tagesschau-Redakteur aus dem Bett klingelte. Gegen zwei Uhr morgens habe der von einem Anschlag erzählt. Eine Diskothek brenne, Hotels seien zerstört und westliche Touristen getötet worden. ›Mein Einwand, ich müsse mich erst einmal informieren, zählte wenig‹, schreibt Armbruster. Hamburg habe ihm die ersten Informationen einfach durchgegeben, die er dann als ›Jörg Armbruster live aus Kairo‹ ausgab.«
So läuft das, und das ist untragbar. Kann man das Werten von Geschwindigkeit als Primärtugend den Laien im Web verzeihen, geht das bei Journalisten nicht. Geschwindigkeit mag eine Tugend sein. Aber Informationsqualität ist auch eine. Und nicht einmal die unwichtigere. Es ist an uns Zuschauern, diese Qualität einzufordern und zu honorieren.
Ein verzichtbares Ärgernis: Wordpress-Weblogs, deren alte Einträge im Feedreader ständig als »aktualisiert« angezeigt werden, weil Herr oder Frau Blogger ein Plugin für »verwandte Artikel« oder »Stichworte« oder was auch immer (kenne mich mit diesen schlimmen WordPress-Frickolagen nicht so gut aus) im Artikeltext(!) verwendet, das dann logischerweise nach jedem neuen Eintrag alle möglichen alten Einträge aktualisiert.
Ich fordere hiermit zum massenhaften Unsubskribieren solcher Kandidaten auf!
Was haben wir denn so bei re:publica gemacht? Die SZ klärt auf (vgl. Bild oben): Wir haben die Museumslaptops aus dem Keller geholt und Windows98 installiert…
Das Bild ist nur das I-Tüpfelchen auf einen der schlechtesten Artikel, die ich seit langen außerhalb von Byld gelesen habe. Herr Knüwer hat dazu bereits alles gesagt. Die letzten Zuckungen einer einstigen Qualitätszeitung, die ihre Zukunft hinter sich hat, weil sie Busen-Fotostecken über 25 Klickseiten für das Rezept zum Überleben in der digitalen Zukunft hält, aber deren Akteure trotzdem stets lautstark das große Wort von den »journalistischen Standards« im Munde führen. Symptomatisch. Auch für die Berichterstattung über die re:publica in den alten Medien. Die Schreiber betrachten die Teilnehmer aus der Perspektive des Zoobesuchers. Deshalb reagieren sie auch wie der Zoobesucher auf Knuts Angeleinlagen, wenn wir in unsere Notebooks schauen. Kulturelles Nichtverstehen (-wollen) ist keine Basis für eine angemessene Berichterstattung. Aber das war nun schon wieder viel zu viel Platz für die Protagonisten der sterbenden »vierten Macht«…
Natürlich schreit das Ende einer Konferenz immer nach »Fazit«.
Also, ist ja Gebot, auch das definitive Fazit von mir: Wir waren Zeuge des endgültigen historischen Aufbruchs in eine neue intellektuelle und publizistische Zukunft, wir sehen das Ende des Meinungsmonopols am Horizont, wir sehen die Massen, behangen mit den Waffen des freien Publizierens, bloggend, twitternd, fotografierend und mogulierend in die Burgen der alten Medien marschieren. Sie schreien nicht mehr nach Brot, sie fordern Aufmerksamkeit. Sie zertrümmern die Kabelnetze und Satellitenschüsseln und ehren die Netzwerkkabel. Ja, in der Tat, es ist Zeitenwende. Wie Peter Weibel sagen würde: Die Leute haben die Nase voll von den alten Medien, deshalb machen sie sich selbst welche…
Okay, Spaß beiseite. re:publica hat mir wieder sehr viel Spaß gemacht. Aus Gesprächen, Diskussionen und ja, auch aus einigen Vorträgen, nahm man interessante Anregungen und Gedanken mit. Banal? Sicher. Einige suchen auf so einer Konferenz immer nach dem großen fahnentauglichen griffigen Zukunftsentwurf in Manifest-Form (s.o. ;)), den es so natürlich nicht geben kann und geben wird. Und auch das beliebte Genöhle »Ey, issja nur ne Nabelschau, ey« ist zwar wahr, aber nicht logisch, da Fachkonferenzen immer Nabelschauen sind.
Was bleibt? Danke an Markus, Johnny und allen anderen hilfreichen Händen für die gelungene Konferenz, ein besonderer Gruß an die anderen Stadtbloggerinnnen und Stadtblogger, und die Vorfreude auf re:publica 09.
Vor lauter sozialer Interaktion ;) habe ich viele Vorträge gar nicht gesehen, das werde ich dank der hervorragenden Videos von Hobnox noch nachholen und über die Themen das eine oder andere Wort verlieren. Im Gegensatz zu Herrn ix halte ich das Bloggen über Vorträge auf solchen Konferenzen für sinnvoll. Ich schaue zum einen gerne in meinem eigenen Archiv nach, was bei vergangenen Veranstaltungen erzählt wurde, und zum anderen ist das geschriebene Wort nun einmal weniger flüchtig als ein Video bei irgendeinem Anbieter, ganz zu schweigen vom Ge-Twitter. Auch wenn wir mittlerweile auf Häppchen konditioniert sind – manche Dinge sind doch ein wenig komplexer als 140 Zeichen. Darum: In Zukunft mehr Bloggen, bitte!
[Alles, mit Ausnahme der als solche gekennzeichneten Zitate, indirekte Wiedergaben der Dinge nach meinem höchst eigenen Verständnis!]
Im von Don Dahlmann moderierten re:publica-Panel »Weil wir es können! Die Produktionsmittel in der Hand von Bürgern« wiederholt Jörg Kantel alias »Der Schockwellenreiter« seine bekannte These: Echten Bürgerjournalismus könne es nur geben, wenn der Bürger auch im Besitz der Produktionsmittel sei. Denn die Werkzeuge seien alle frei verfügbar. Es gibt, da kann man dem Schockwellenreiter zustimmen, in der Tat keinen Grund, Bürgerjournalismus unter dem Dach eines Medienkonzerns zu praktizieren. Eine rein quantitative Kritik, die sich auf den Fakt stützt, dass tatsächlich nur 0,2% der Bevölkerung auch tatsächlich Bloggen wolle, geht für Kantel ins Leere: Es geht um die Möglichkeit, es tun zu können, aber es müsse eben nicht jeder. Man dürfe diese Möglichkeit der Kommunikation (Zitat) »nicht den Murdochs und Holtzbrincks dieser Welt überlassen«. Auch wenn sich die mit ihren neuen Möglichkeiten ausgestatteten Bürger manchmal die selbe Frage stellen wie einst die antiautoritären Kinder der 68er: »Müssen wir jetzt spielen, was wir wollen?«
Ebenfalls auf dem Panel ist Daniel Fiene. Er preist weniger den emanzipatorischen Akt der Freiheit des Publizierens, sondern die eher unterhaltsamen Amateuraktivitäten wie das »Mogulieren« von Bloggern, die gemeinsam eine Sendung im Unterschichtenfernsehen schauen und dabei von Internetzuschauern betrachtet werden…
Oliver Wrede dagegen möchte die Möglichkeiten sich entwickeln lassen. Eigentum an Produktionsmitteln hält er nicht für so wichtig, für ihn kann es auch Aktivität in den umzäunten Gärten der Medienmultis oder Startups sein. Alles sei im Fluss und entwickle sich. So habe Twitter vor einem Jahr noch für (Zitat) »user generated spam« gehalten, mittlerweile jedoch eine interessante Entwicklung dieses kleinen Dienstes gesehen. Solche Dienste müssten nach ihrer »Hype-Phase« eine »Kritische Masse« erreichen. Jeder habe viele Möglichkeiten, der für die »alten« Medien charakteristische aufwändige Produktionsprozess sei nicht mehr da, die neuen Möglichkeiten »ubiquitär«.
Jörg Kantel fordert eine andere Medienkompetenz. Für gedruckte Medien und TV gäbe es schon eine. Diese sei aber von einer »Umbiegung echter Bedürfnisse« geprägt. Jeder wisse im Grunde, was von »Bild« zu halten sei, gelesen würde es aber trotzdem. »Unsere« Aufgabe sei es, mit den neuen Produktionsmitteln des Webs eine Alternative zu schaffen. Wobei nicht sicher sei, dass diese sich dann auch »historisch durchsetze«. Schließlich sei die Frage nach den Medien auch eine Frage nach den realen Machtverhältnissen.
Don Dahlmann meint: Die Produktionsmittel seien da, Menschen verstünden aber den Umgang damit nicht.
Daniel Fiene hat »echte Menschen«, »Offliner« ;), in seinem sozialen Umfeld durch seine Online-Aktivitäten missioniert. Das Problem ist aber, dass die frisch Missionierten nicht genau wüssten, was sie jetzt mit dieser Technik machen sollen.
Oliver Wrede kann diese Beobachtung bestätigen. Die inhaltliche Frage sei das Problem, Aktivitäten oft Selbstzweck (Zitat): »Viele sind von den Werkzeugen beseelt.«
Jörg Kantel fordert (Zitat): »Medienkompentenz muss sich an den Inhalten entwickeln, nicht an der Technik«. Die Entwickler der Werkzeuge seien aber schuldig. Sie spielen mit der Technik, statt Techniken zu entwickeln, die den weniger Bewanderten helfe, Inhalte zur Verfügung zu stellen. Und erläutert seine Idee einer Vernetzung über dezentrale Community-Server per Ping vor, die eine Nutzung von kommerziellen umzäunten Gärten überflüssig machen würde.
Oliver Wrede ist skeptisch: Solange ein Klima der »Anti-Intellektualität« herrsche, sei die Technik nicht das Problem. Für Jörg Kantel hängt das mit den realen Verhältnissen zusammen. Wir bräuchten einen gesellschaftlichen Wandel weg von der Industriegesellschaft hin zur Informationsgesellschaft (Zitat): »Wir sind Begleitmusik zu einer laufenden gesellschaftlichen Veränderung.«
Abschließend forderte Kantel dazu auf, Fortschritte auch im Kleinen, von den »Relevanzfanatikern« oft belächelten Online-Strukturen zu sehen. Man solle nicht immer nur auf die (Zitat) »Großen Sachen im Kontext des Journalismus« schauen, sondern auch auf die Kleinode bei beepworld oder jimdo.
Fazit: In dem vergangenen Jahr seit der letzten re:publica sind wir mit diesem Thema nicht wirklich weiter gekommen, im Gegenteil, mir scheint der Trend eher dahin zu gehen, dass die Menschen sich lieber in die bequemen Sessel der kommerziellen Dienste und geschlossenen Netzwerke setzen. Da ist noch einiges zu tun.
Morgen ist es endlich soweit: Die re:publica 08 geht los, und sogar die dpa hat es bemerkt. Wie bereits angekündigt, ich bin dabei, wenn in der Hauptstadt der Digitalen Bohème wieder nach Kräften alles rund um Blogs und »Web 2.0« problematisiert wird.
Mein Lieblingsvortrag wird natürlich der zum Thema »Von Placeblogging und Stadtwikis« am Donnerstag um 10:30 Uhr werden, dessen Besuch ich nur empfehlen kann.
Die Kulmination des Problematisierwillens wird dagegen garantiert der Vortrag »Geld verdienen mit Blogs – reloaded« gleich danach werden. Gebannt werden jene Horden von JungbloggerInnen, deren Mangel an originärer eigener Stimme durch eine exorbitante Gier nach Werbeeinnahmen ausgeglichen wird, an den Lippen der Referenten hängen, um den Tipp zum lukrativen Probloggen ohne Pro aufzuschnappen…
Zum »Taggen« von Inhalten aller Art soll man die Tags »re-publica08«, »republica08« und »rp08« benutzen.
Auch die in diesen Zeiten omnipräsenten »Social Networks« werden thematisiert.
Apropos: Am Beispiel der re:publica kann man wunderbar erkennen, wie der Hang zu umzäunten »Social Networks« zu einer Fragmentierung der Information führt. Wer ermitteln möchte, wer denn alles so da sein wird, kann in der Teilnehmerliste im Wiki nachschauen. Oder im re:publica-Mixxt-Netzwerk. Oder in Facebook. Oder in Xing. Oder in venteria. Und das war garantiert noch nicht alles. Das, verehrte Zielgruppe, ist Fortschritt. ;)
Wenn’s einem zu wohl wird, startet man ein Blog. So auch ich, mir war mal wieder danach: zweisprech.de. Richtig schöner Name. Und mit Textpattern. Was draus wird – mal schauen.
Die Einträge von dort werden automatisch im großen automatischen Ich-Aggregator Panta Rei erfasst und befinden sich damit auch im unglaublichen ralle-Total-Feed.
Die Aufteilung ist wie folgt: Hier in uninformation.org widme ich mich bunten Sachen in mitunter leicht agitatorischem Tonfall, drüben wird selbiger etwas zurück genommen und es wird eine mehr thematische Ausrichtung bekommen. Der Rest vor Ort.
Ja, was waren das noch für Zeiten! Damals, so um 2002, als man sich noch die Köpfe heiß redete in Weblogs über die Frage, ob wohl ein Weblog ein Tagebuch oder ein Tagebuch ein Weblog sei und jeder Artikel über Weblogs in der traditionellen Presse mit einem Weblog-Tagebuch-Vergleich daher kam. Im vergeblich Bestreben, das neue einzige originäre Medium des Webs den »Offlinern« mit halbgaren Anknüpfungen an das Alltagswissen zu erklären. Heute gibt es Weblogs wie Sand am Meer, jeder kennt sie, jeder dahergelaufene BWLer schreibt eins. Sie wenden sich aber lieber der »spannenden« Frage zu, ob wohl soziales Netzwerk DeinZV dieses oder jenes macht. Oh mein Tagebuch, sie haben noch gar keine richtige eigene Stimme gefunden, aber die Seitenleiste ist schon mit Werbung zugekleistert. Liebes Tagebuch, they suck!
»Dabei konzentriert sich die Ausstellung auf die charakteristische Kommunikationssituation des Tagebuchs, auf die Verschränkung von schreibendem, geschriebenem und adressiertem Ich. Wer schreibt, ist schon nicht mehr allein mit sich und kommuniziert in einem ganz bestimmten Rhythmus. Es ist die prägende Kraft der Tagestaktung, die dem Tagebuch seine besondere Form gibt.«
Ein Weblog zur Ausstellung gibt es auch, heute (5.3.08) abend gibt es eine feierliche Eröffnung. Verehrtes Tagebuch, leider haben wir für die Eröffnung keine Zeit, doch ich hoffe doch sehr, dass wir es noch einrichten können, diese Ausstellung bis zum 14. September in Frankfurt am Main zu besuchen. Denn danach verschwindet sie nach Nürnberg und Berlin.
Nimm das nächste Buch in deiner Nähe mit mindestens 123 Seiten.
Schlage es auf Seite 123 auf.
Suche den fünften Satz auf der Seite.
Poste die nächsten drei Sätze.
Fachbuch lassen wir weg, zählt nicht, ist Arbeitsmaterial wie das Notebooknetzteil. Aber hier gibt es ja auch richtige Bücher. Blättern und rascheln, ich zitiere:
»Bin nach anhaltender und heftiger Trinkerei schwer verkatert, aber ich erinnere mich an ein Tonband, von mir und dem großen Bärtigen, der vor zwei Ehefrauen ausgerissen ist, seinen Namen geändert hat und sich jetzt von einer Frau aushalten läßt. Er hat Kinder irgendwo zurückgelassen, sowohl poetische als auch tatsächliche. Und lebt jetzt unter falschem Namen.« (Charles Bukowski, Schreie vom Balkon. Briefe 1958 – 1994. Hamburg 2005. Seite 123.)
Charles Bukowski, der Poet des amerikanischen Albtraums, begleitet mich schon seit der Phase der »Adoleszenz«. Gerade in diesen Zeiten, wo die Buchhandlungen und Blogs voll von Empfehlungen für erschreckend banale esoterisch angehauchte brüllend positive »Hach, diese Zeiten sind toll! Wandel Wandel Wandel trullala! Und Du bist auch so toll, ey, tschaka!«-Bücher sind, ist der 1994 verstorbene Bukowski, der es wie kein anderer verstand, die schmutzige, abgründige, ehrliche und emotionale Seite menschlicher Existenz zu formulieren, aktuell wie eh und je.
»Schreie vom Balkon« enthält Briefe von Bukowski an alle möglichen Leute und erzählt die Geschichte seines Lebens von ganz unten nach ziemlich weit oben in schnörkellosen und lakonischen Worten, wie immer kongenial übersetzt von Carl Weissner.
Und nun? Wer das Stöckchen mag und noch nicht hatte, mag es nehmen und bearbeiten. »Das Schreiben muss man kommen lassen.« Schrieb Buk (S. 283), und der wusste, wovon er sprach.
David stellt Bloggern Fragen in seinem neuen Blog »bloggersdorf.com«. Gleich zu Beginn hat er sich einen wahrhaft wichtigen ausgeguckt, nämlich mich. ;-)
Aber ich bin eigentlich ziemlich langweilig, denn ich sehe keine Engel und Verstorbene. Finde ich gut, wenn David auch einmal die richtig seltsamen Vögel der Blogosphäre vorstellt, ich wünsche viel Erfolg und zahlreiche Besucher.
Das einzig wahre Blogsystem auf der Basis von PHP und MySQL, Textpattern, ist in der Version 4.0.6 erschienen. Es repariert einige Lücken (ja, nicht nur des Matts Cash-Cow, die Wortpresse, hat ihre Lücken ;-)) und sollte daher zeitnah auf aktiven TXP-Sites eingespielt werden. Auch wenn ich es hier in meinem eigenen Blog nicht mehr verwende: Textpattern ist in seiner technischen Liga das Beste, was man bekommen kann. Hole es Dir, so lange es heiß ist.
Die Gestalt eines Weblogs hat Einfluss auf den Gebrauch. Schreit die Form nach großen Artikeln, traut man sich nicht an die kleinen heran. Und das, was gebloggt werden will, bleibt ungebloggt. Außerdem ist ein Paradigma aufzubrechen, das besagt: In einem Weblog müssen alle Artikel gleich aussehen. Darum braucht ein Weblog Arten von Artikeln, die ihre eigene Form mitbringen.
Idealerweise speichert sich ein Weblog-Artikel mitsamt dem Erscheinungsbild seines Erscheinungstages ab. Was aber, eingedenk der Tatsache, dass Stylesheets nicht für die Ewigkeit sind, nicht so einfach ist. Die Form muss mitleben, die »Template-isierung« ist von Übel und zu bekämpfen. Eine Aufgabe!
»Blogs sind meines Erachtens nur in ganz wenigen Ausnahmefällen journalistische Erzeugnisse. Sie sind eher der Tummelplatz für Menschen, die zu feige sind, ihre Meinung frei und unter ihrem Namen zu veröffentlichen.«
Darüber sollte also debattiert werden. Wurde aber nicht. Wie immer, wenn Journalisten anfangen, eine Runde über das Internet zu problematisieren, wurde das Thema vorher nicht klar genug eingegrenzt. Während Herr Knüwer und Herr Alphonso über die Rolle von Weblogs sprechen wollten, wollte Herr Konken in seiner Brandrede plötzlich gar nicht über Weblogs gesprochen haben. Und Herr Jörges von stern.de, der sich süffisant von Don Alphonso Qualitätscontent wie eine »Anni-fastnackt«- und eine »kleine-Eisbären«-Fotostrecke unter die Nase reiben lassen durfte, sorgte sich nur um die Kontrolle der wüsten unflätigen Kommentatorenhorden, die seinen (Zitat) »organisierten Internetauftritt des Verlages« überrennen möchten. Gerade bei Jörges konnte man förmlich die Verachtung für die Pleb-Horden, die sich gefälligst durch ellenlange werbeverseuchte Klickstrecken klicken und Einnahmen generieren, ansonsten aber ihr Maul halten sollen, mit den Händen greifen.
Und in der Mitte drin saß Prof. Donsbach, für den verlässliche und wahre Orientierung für die konsumierenden Pleb-Horden in den Angeboten des Internets nur aus den Qualitätsschmieden der Verlage kommen kann. Na klar, Herr Donsbach, Anni und der kleine Eisbär helfen uns, in der unübersichtlichen Welt den Überblick zu bewahren. Das könnten Blogs wirklich nicht. Danke, Profis, dass Ihr uns so aufklärt und informiert…
Fazit: Eine merkwürdige Veranstaltung. Wie eine TV-Talkshow. Aber im Unterschichten-TV.
[Nachtrag:] mspro hat ein wenig in den Abgründen und Zwistigkeiten der verbandsmäßig organisierten Journaille gewühlt und die Ursache für Konkens pathologischen Web- und Bloghass ausgegraben. Dass Konken nicht in der Lage ist, eine solche anonyme Seite vom Rest zu differenzieren, disqualifiziert ihn in meinen Augen als ernst zu nehmenden Journalisten. Wir bloggende Zeitgenossen sagen ja auch nicht: Alle Journalisten sind wie Kai Diekmann…
»In Wahrheit war ich nie verreist
Wie das Protokoll beweist«
Tocotronic »Aus meiner Festung«
Entlassen aus der Blogblues-Klinik. Wo war er denn? In der digitalen Kaufbedürfnisweckanstalt namens »Web 2.0«. Z.B. in Twitter unterwegs. Muss leider »privat« sein, denn natürlich kommt sofort wieder einer und baut eine Twitter-Suche. Als ob alles erhalten, archiviert, getaggt, zugänglich sein muss. Selbst 140 dahingerotzte Zeichen. Ich glaube, wenn ein Dienst käme und Eure Telefongespräche automatisch als Podcast zugänglich macht, dann würdet Ihr sogar das toll finden…
Apropos Blogblues. Ein Blogger wäre kein Blogger, wenn er die Tatsache, gerade keinen Bock zu haben, nicht gebloggt und umgehend zum griffigen »Phänomen« stilisiert hätte. Zumal er (so er ein bißchen A-listet) weiß, dass die in den letzten ca. zwei Jahren entstandene Claque-Blog-Masse von niedrigem Blogtalent, also die, die »der Blog« sagen und begierig repetieren, was der Meister, wer immer das auch gerade ist, gebloggt hat, so etwas gleich gierig aufgreift. Einfach mal Mund halten ist nicht mehr drin, unter Phänomen geht hier nix. Blogosphäre, man muss Dich lieben! ;-)
Und ja, die Geschäfte als »Digitaler Bohème« laufen auch, auch ohne permanenten Ego-Striptease im Blog darüber. Letzteres ist tröstlich, oder? ;-)
Nach dem abendlichen Auftakt der Tagung »ICH, WIR & DIE ANDEREN« ging es am gestrigen Freitag mit vollem Elan an die digitale Sache. Das wuchernde Beet des Web-2.0 sollte auf seine »demokratischen und ökonomischen Potenziale« abgeklopft werden. Zu diesem Zwecke ließ sich das interessierte Publikum etwa 11 Stunden in den finsteren tageslichtlosen Kubus des ZKM sperren, in dem es sonst lustig blinkende und leuchtende Kunstwerke zu bestaunen gibt. Dieses Mal wurde aber den in vier Themenblöcken zu je drei Vorträgen organisierten Vortragsblöcken gelauscht, die in Sachen Anspruch und Niveau eine Achterbahnfahrt boten.
Barcamps, Webmontage, (Un-)Konferenzen allenthalben, alles mit ähnlicher personeller Besetzung und zunehmender Beteiligung von Gästen, denen nicht in erster Linie die Sache selbst am Herzen liegt — der im deutschsprachigen Raum ein wenig ausufernde »Konferenzzirkus 2.0« sorgt bereits für erste öffentlich geäußerte Frustrationen. Es schien an der Zeit, einmal einen Blick auf das internationale Geschehen zu werfen. Da traf es sich gut, dass zu den Kalenden des Juni 2007 in Kopenhagen die »reboot9« statt fand. Unter dem Banner der kurzen, aber potenziell bedeutungsschwanger dräuenden Frage »Human?« trafen sich ca. 500 Menschen, die sich mit dem Leben im Netz beschäftigen.
Auch wenn das nun schon wieder über eine Woche her ist, möchte ich noch auf die beiden Tage des Diskutieren, Inspirieren und Philosophieren über die verschiedenen Aspekte des Menschseins in diesen digitalen »Zeiten 2.0« zurück blicken.
Boxen, verehrte Zielgruppe, hat viel mit Bloggen gemein. Es gibt die Schwergewichtler und die Fliegen. Es gibt die technisch Versierten, die brutalen Schläger, und jene, die es sowieso nur für Geld tun. Es tummeln sich hier wie dort die Champions, die »Journeymen« und das »Fallobst«. Und sowohl beim Boxen als auch bei den Blogs hocken rund um den Ring die Claqueure und Adabeis und hoffen, auch ein paar Strahlen vom Scheinwerferlicht der Gestalten im Ring mit zu bekommen…
Eines Tages verabschieden sich die Akteure aus dem Ring und aus dem Netz, und nach dem letzten Winken ins Publikum geraten sie in Vergessenheit. Und das Publikum läuft nachdenklich davon und denkt sich: »Ja ja ja, they never come back…«
Aber manchmal kommen sie doch zurück. Wenig ruhmreich wie Axel Schulz. Oder gelungener wie Henry Maske. Vitali Klitschko steht auch schon an der Ringecke. Und in der Blogosphäre?
Wenn Blogger aufhören, die zu meinen Favoriten zählen, lasse ich sie stets im Feedreader drin. Sie kommen wieder. Fast alle. Jüngstes Beispiel: Konstantin »WorldWide« Klein ist wieder da! Konstantin ist schon seit Urzeiten dabei, hat schon diverse Male aufgehört und ist stets wieder zurück gekommen. Willkommen zurück!
Ich bin gespannt auf das nächste Comeback: Vielleicht dee, oder Martin? ;-)
Diese digitalen Zeiten sind schnelllebig. Da geniesst man mal einen problematisierfreien Tag in der Berliner Sonne, und schon erscheint das eigene Fazit der re:publica vom ewig weiter beschleunigenden Lauf der Dinge völlig irrelevant und überholt. Aber ein Moment der Reflektion nach den Tagen der hektischen fast-Live-Artikel muss sein!
Persönliches Fazit: re:publica war perfekt organisiert, noch einmal ein »Danke schön« an Markus und Johnny. Netz war da, Verhungern und Austrocknen muss an einer Lokalität im Herzen Berlins sowieso niemand, daher war das mancherorts beklagte Thema »Befriedigung physiologischer Grundbedürfnisse« am Orte der Veranstaltung für mich bedeutungslos. Und da ich sowieso nicht in Erwartung des Gewinns sensationeller Erkenntnis nach Berlin gefahren war, konnte ich mich an einer unterhaltsamen Veranstaltung mit netten Menschen erfreuen.
Sehr erfreulich: Mit einer Ausnahme verkniffen sich die Anwesenden penetrante Reklame für ihre »großartigen web-2.0-igen« Klitschen, das war sehr angenehm.
Wenn es nächstes Jahr eine Neuauflage gibt, bin ich wieder dabei!
Thema »Übel des Konsens«: Tenor der Betrachtungen, die man allenthalben lesen kann, ist das Bedauern des »Konsens« auf den Podien und des Mangels an »Nicht-Konsens« durch das Publikum. »Konflikt« ist zunächst einmal kein Wert für sich, sondern kann nur über eine Sache festgemacht und ausgetragen werden. Das Ausfechten persönlicher Animositäten unter der Flagge von scheinbaren sachlichen Differenzen, das man bei den üblichen Verdächtigen in Blogs täglich lesen kann, halte ich nicht für eine wünschenswerte Erscheinung.
Für die nächste Auflage müssen die Themen schärfer gefasst, ihren Einführungscharakter verlieren, zugespitzt und Diskutanten ohne persönliche ökonomische Interessen am Thema gefunden werden. Ein Vertreter eines »AAL-Portals« auf dem Podium wird niemals scharf debattieren, da die Angst, dass jede schärfere Äußerung auf seinen/ihren Arbeitgeber zurückfallen würde, streitbare Äußerungen verhindert. Auf das Publikum kann man nicht zählen, die Frontstellung Podium vs. Publikum ist nicht das, was Habermas als »herrschaftsfreien Diskurs« definieren würde. Wünscht man das, muss man die Podien auflösen und die Panels als Unkonferenz im Barcamp-Stil organisieren.
Hier liegen noch Notizen von zwei Veranstaltungen auf der re:publica im Editor herum, die ich ob der lockenden Alternativen Sonne und Bier noch nicht verbloggt habe. Eigentlich schon »alt«. Andererseits soll hier im Blog mal wieder der alte Gedanke der Ego-Dokumentation im Web das ausufernde Gelaber ersetzen. Darum kann man nach der Klickpause Notizen lesen zu zwei Panels:
Bewegte Bilder. Wie das Netz die Film-Branche verändert.
Jörg Kantel gibt zum Auftakt seine bekannte Position zum Besten: Bürgerjournalismus ist nur dann Bürgerjournalismus, wenn der schreibende Bürger auch im Besitz der Produktionsmittel ist.
Katharina Borchert findet die Diskussionen in dieser Hinsicht aber zu theoretisch. Jens Matheuszik, der Pottblogger, auch. Er bloggt einfach nur. Jens schrieb über regionale Themen, wurde deshalb von Falk auf das Podium eingeladen. Und Themen, die in »traditionellen« Medien eher selten aufgegriffen werden. Jörg prangert an, dass die Tageszeitungen die regionale Berichtserstattung aus Profitgründen aufgegeben hat. Es gebe nur noch massenkompatible Themen. Lyssa verteidigt die WAZ-Gruppe, diese sei natürlich nicht von böser Profitgier getrieben, sondern von wirtschaftlicher Notwendigkeit…
Jörg stellt fest: Wir brauchen Plattformen wie die Readers-Edition oder ähnliche geplante Plattformen nicht. Vernetzung muss »von unten« kommen, und bringt das Beispiel Neukölln. Würde man alle Weblogs aus Neukölln »von unten« vernetzen, hätte man mehr gewonnen als mit allen (Gedächtniszitat) »Kopfgeburten aus den Verlagen«.
Lyssa erzählt ein wenig über ihr WAZ-Projekt. Dort sind sie (Gedächtniszitat) »auf ganz viel Scheitern eingerichtet«. Das nenne ich mal eine optimistische Herangehensweise.
Eine Frage aus dem Publikum an Hugo E. Martin: Werbung auf die RE pappen und viele CC-Lizenzen, an denen sich die RE fleißig bedient, sind nicht kompatibel. Er windet sich mit allgemeinen Ausführungen zur finanziellen Situation der Readers Edition heraus, ohne auf die Frage einzugehen.
Hugo Martin will in der RE Themen und Autoren mit Organisationen vernetzen, zum Thema »Nachhaltigkeit« und »Klimawandel«… Lyssa meint, es gehe in erster Linie um Meinungen, das Volk möchte sich äußern. Falk fragt im Publikum nach, wer darauf Lust hat. Die Anzahl der Meldungen ist eher niedrig…
Jörg sagt, bezogen auf Werkzeuge zum Bürgerjournalismus: Man soll nicht darauf warten, dass irgendwer etwas macht. Es macht niemand was. Darum muss man selbst machen. Ist das nicht immer so im Leben?
Fazit der etwas konfusen Runde: Der Begriff des »Bürgerjournalismus« wird vergehen, sein Inhalt sollte aber »Alltag« werden. Jens ist der Ansicht, dass der Bürger endlich wieder Meinungen äußern soll und sich vom passiven Medienkonsum befreien soll. Ein schönes Schlußwort!
Zwei von drei Tagen re:publica sind herum, Zeit für ein kleines Zwischenfazit.
Als erstes ein ganz großes Kompliment an Markus und Johnny: Die Veranstaltung ist geradezu beängstigend perfekt organisiert, selbst allergrößte Nörglernaturen werden Schwierigkeiten haben, irgendetwas an der Organisation zu bemängeln.
Wenn man so zwischen den Session mit den Kolleginnen und Kollegen plaudert, ist der allgemeine Tenor, dass es »zu kuschelig« zu geht. Exemplarisch war vielleicht der Vortrag über Werbung in Blogs, wo trotz des kontroversen Themas keine richtig wilde Debatte aufkam. Was vielleicht auch daran liegt, dass dieses Thema schon seit 2002 völlig ausgelutscht ist. Entweder man klopft Werbung in sein Blog, oder man macht es eben nicht. Darüber gibt es im Grunde nichts zu diskutieren, weil es zwecklos ist. Keiner der Protagonisten der Litfasssäulenfraktion wird nach einer solchen Diskussion in sich gehen und denken »Boah, ich bin übel, weg mit dem Werbezeug«. Und vice versa.
Über das einzige »No-No-Thema«., bezahlte Inhalte im Blog, herrschte auch weitestgehend Einigkeit. So sind die meisten Panels abgelaufen. Aber bei solchen Konferenzen finden die »wahren« Sachen eh zwischen den Panels statt.
Gestern abend gab es Unterhaltungsprogramm. Toni Mahoni (Bild: tschneider@flickr, CC) war ganz und gar großartig, er hat ab sofort einen neuen Video-Podcast-Gucker gewonnen. Wie er da an seinem Tisch zwischen seiner Band sitzt und dann mit seiner seltsamen Stimme, die ständig zwischen Edith Piaf und Till Lindemann oszilliert, kleine Geschichten erzählt und Songs mit lakonischen Titeln wie »Beziehung«, »Kaffee« oder »Zigarette« intoniert – große Klasse! Ein Küchentischpoet mit Herz unter der rauen Schale…
Die beiden anderen Bands, Jammin Inc und die Ohrbooten, waren nicht so mein Fall, da ich nun einmal an einer exorbitanten Allergie gegen alles, was auch nur entfernt mit Sprechgesang zu tun hat, leide.
Und nun also der dritte Tag mit großen Problematisiergebirgen wie »Medienrevolution« und »Bürgerjournalismus« vor dem Bug…
[Update] Interessante Berichte von der re_publica schreiben:
Zum Auftakt geht es um die Rolle der Parteien im »Web 2.0«. Nico Lumma fragt: »Wie kann man mit Web 2.0-Tools Politik so organisieren, dass Mitarbeit wieder Spass macht?« Das Podium ist sich einig: Die klassische Organisation der Parteien passt nicht mehr in die mobile Gesellschaft »von heute«.
Die Parteien schauen sich aufmerksam die Wahlkampfaktivitäten in den USA an (Blogs, Social-Networks, etc.). Nico meint, dass das in Deutschland nicht funktionieren wird. Wegen der Tendenz zu fachpolitischem Expertentums der potenziellen Berufspolitiker zwecks Förderung der Karriere. Darum werden quereinsteigende Themen und Personen abgeblockt. Und das auf diesem Weg in die Ämter gekommene Personal ist nicht netzaffin. Ansonsten wollen die Parteien keinen Kontrollverlust durch Netzpartizipation. Und Überhaupt, amerikanische Parteien sind ganz anders organisiert als deutsche. Sie sind mehr Zweckbündnisse, und vor allem sind die Netzaktivitäten von der Kasse motiviert…
Und Nico meint: Wir Deutsche haben eine andere, schlechtere Diskussionskultur. Einwurf aus dem Publikum: Alles zu parteizentriert. Wo sind die Möglichkeiten, die brachliegenden nicht-Parteileute zu interessieren und an der Willensbildung zu beteiligen? Markus bringt das Beispiel Online-Petition. hohe Mitwirkung, aber keiner weiß was es bringen wird. Markus fordert daher: Parteien müssen einfach lernen, mit Offenheit umzugehen. Das ist aber ein evolutionärer Prozess, keine »Revolution«.
Nico stellt fest: Politiker und Netzaffinität schließen sich derzeit aus. Die aktuellen Bestrebungen zum gläsernen Bürger würden dies deutlich beweisen…
Ein Einwurf aus dem Publikum: Man solle einfach warten, bis eine netzaffine Generation die politische Macht inne hat. Markus möchte nicht aber nicht bis 2020 warten, denn jetzt werden unsere Daten gespeichert, werden Filesharer kriminalisiert, usw.
Ein junger Grünen-Politiker, Jan-Philipp Albrecht greift sich das Mikro: »Ich habe schon seit einem Jahr einen Blog!« Darauf Nico: »*Das* Blog, gib’ mal das Mikro weiter…« ;-)
Nico kommt noch einmal auf die mangelnde politische Diskussionskultur in der deutschen Blogosphäre zurück. Es käme zu keinen politischen Debatten in den Blogs, die einzigen Kommentare seien: »Ja, Danke.« Es käme zu keinen ergebnisoffenen Diskussionen. Der politisch interessierte Teil der Blogosphäre möge auch sein soziales Umfeld für die »bebloggten« Themen sensibilisieren.
Ein skurriler Einwurf kommt von Marcel, dem Parteibuchblogger. Erstaunlicherweise hält er sein Blog für ein politisches Blog, danach gibt er ein obskures Sammelsurium verschwörerischer Andeutungen über den wahren Lauf der Dinge in Deutschland zum besten. Falk bedankt sich für den Beitrag und wertet ihn süffisant als »Meinungsbeitrag«…
Fazit: Politik und Netz haben eine schwierige Beziehung. Über eine Bestandsaufnahme kam das Panel nicht hinaus. Die Frage bleibt: Wie kann sich der »amtliche« politische Diskurs zur Netzöffentlichkeit hin öffnen. Das setzt aber voraus, dass es erst einmal eine politikaffine Netzöffentlichkeit gibt. Netzaffine Politiker und politikaffines Netz bedingen sich im gewissen Grade gegenseitig…
Zunächst geht es um Adical. Der »content-generatende« User bleibt immer ganz weit hinten, alle verdienen, nur der User nicht, meint Johnny. Darum sollen selbige auch Geld verdienen. Darum adical. Blogs als Medium sollen die Chance haben, sich zu refinanzieren, damit auch erwachsene Menschen sich bloggen leisten können. Denn Qualität kostet Geld. Darum das umstrittene Mittel: Werbung. Don Dahlmann fragt Supatyp nach Anlogien zur Kommerzialisierung der Punk-Szene. Der antwortet: “Die Solidarisierung der Szene mit Bahnhofspenner hat der Punk-Szene mehr geschadet als ein Album der Toten Hosen.” Supatyp ist übrigens »Old School«: Blogs brauchen Kommentare, sonst sind es keine. Don vermutet eine gewisse devote Haltung von Bloggern gegenüber Anzeigenkunden.
Supatyp verlangt nach begrifflicher Klarstellung. Supatyp: »Sie können im Weblog länger cool sein als draußen im richtigen Leben.« Lobo: »Eine etwas zu vierzehnjährige Einstellung über das, was cool ist.«
Johnny ist das zu öde, er will lieber Grundsatzfragen klären: »Schadet Werbung Blogs, ja oder nein?« Und da darauf niemand anspringt, fragt er statt dessen rhetorisch: »Wie kann man als Blogger Geld verdienen?« Und plaudert aus dem Nähkästchen der Versuche von Spreeblick, Geld zu verdienen. Google Adsense ist ein gutes System – für Google. Geld brachte es Spreeblick nur zu Group-Tekkan-Zeiten.
Johnny würde niemandem empfehlen, sein werbefinanziertes Weblog als Haupteinnahmequelle zu betrachten. Adical ist nun der nächste Versuch.
Johnny vergleicht Blogs mit Bands. Blogs sind für ihn »Künstler«. Es gibt keine Formel, wie man mit Blogs Geld verdient. Sagt Johnny. Und fügt noch hinzu, dass Werbung auffallen muss. Sonst ist es keine. Also kein »Gepienze« wg. Bannergrößen, wenn Ihr Euch verkauft, meine Damen und Herren verkaufswilligen Blogger!
Eine Frage aus dem Publikum zum Thema »bezahlte Artikel«. Johnny lehnt das kategorisch ab, für Spreeblick. Sascha Lobo hingegen erzählt, dass Riesenmaschine das macht, und redet sich das als »spannendes Experiment« schön. In Adical wird es das aber nicht geben. Sascha Lobo hält Werbung für eine »Kulturform«. »Kultur« ist halt ein dehnbarer Begriff…
Don Dahlmann mahnt: Man darf sich nicht kaufen lassen. Wenn man z.B. ein neues Handy vom Hersteller bekommt, und drüber schreibt, soll man sich auf gar keinen Fall rein reden lassen, was man drüber schreibt.
Fazit: Einige im Publikum, dass lassen auch die SMS an der Wand vermuten, hatten wohl Patent-Rezepte für den Blogger zum Geldverdienen erwartet. Naivität und Gier sind janusköpfige Geschwister. Das konnte natürlich nicht geliefert werden.
Johnny erläutert seine eigene Blogetikette. Und geht auf die Blogetiketten-Idee von Tim O’Reilly ein. Stefan Niggemeier findet: “Gut, dass wir drüber reden.”
Prof. Kuhlen, auserkoren für die Rolle des akademischen Expertens von »draußen«, meint: »Ethik entwickelt sich in den Räumen, in denen wir uns bewegen. Das war schon immer so.« Denn: »Die Ethik der Schwein ist der Stall.« Die Schweine hätten eine andere Ethik, wären sie auf der Wiese. Nette Analogie. Wir bewegen uns in elektronischen Räumen, daher entwickelt sie sich genau dort. Die Philosophen kommen sowieos immer erst anschließend und erläutern diese Entwicklung.
Don Dahlmann empfindet den Versuch, ein ethisches Regelwerk zu schaffen, als Einschränkung seiner Kreativität. Davon hält er nix von O’Reillys Ansatz. 10 – 15% Idioten hat man immer und wird man immer haben, darum sollte man diese nicht zum Anlass nehmen, ein Regelwerk aufzustellen. Er löscht übrigens auch Kommentare, nach »Gutsherrenart«, wenn notwendig. Kuhlen meint, Blogeinträge sind »pragmatische« Texte, da sie auf eine Reaktion aus sind. Das Problem ist nur: Man weiß nur nicht, was der eigene Text für Konsequenzen hat und wie er aufgenommen wird.
Im Grunde aber, so sind sich die Protagonisten auf dem Podium einig, gelten die »normalen«, für uns gewohnten Regeln des menschlichen Zusammenlebens, auch im Netz. Darum sind sich alles einig: Wir (also, die Blogger an sich) brauchen keine unterschriebene Ethik-Konvention. Aber man sollte nicht vergessen, das zum »lebendigen« Bloggen auch eine gewisse Prise Provokation gehört.
Johnny wirft die Frage auf, ob und wie man sich gegen Beleidigungen, Lügen oder falsche Anschuldigungen in der Blogosphäre wehrt. Don hat aus seiner »Opel-Story« gelernt, dass man sich ein dickes Fell zulegen sollte. Zu guter Letzt sind sich alle einig: Wir brauchen keine geschriebenen Blogger-Regeln mit Unterschrift und Logo auf dem Blog.
Was aber nicht geht, macht Don nach einem Einwurf aus dem Publikum klar: Einfach das Medienrecht der »alten Medien« auf das neue Medium Blog zu kopieren geht nicht!
Pünktlich um 11:00 eröffneten Markus und Johnny die re:publica in Berlin. Die re:publica , so die beiden, soll das Phänomen »Weblog« von innen betrachten. Dazu passt, dass 80% der angemeldeten Teilnehmerinnen und Teilnehmer »im Netz publizierende Amateure« sind.
Der Ort des Geschehens, die Kalkscheune in Berlin, ist sehr gut gewählt, es ist Platz genug und der Ansturm verteilt sich gut. Mangel gibt es eigentlich nur an Strom.
Die ersten Vorträge gab es auch schon. Volker Grassmucks kleine Geschichte der Wissensallmende wurde leider vom Referenten selbst »getötet«, da er seinen Vortrag etwas uninspiriert vom Blatt ablas. Das war schon einst in sozialwissenschaftlichen Seminaren ein bewährtes Mittel, um das Publikum einzuschläfern…
Alle Blogger sind Nerds. Stimmt nicht, da die Untersuchungen, die solche Ergebnisse zeitigen, an ihren eigenen methodischen Unzulänglichkeiten scheitern.
Blogs sind Gegenöffentlichkeit. Stimmt auch nicht, da die meisten Blogs ein im fachlichen und sozialen Umfeld zu suchendes sehr überschaubares Publikum haben und nicht die Gesellschaft umwälzen wollen.
Blogs sind irrelevant. Verkünden die etablierten Berufskommunikatoren wie Agenturen und Medien. Aus eigenem Interesse, und weil sie ein Blog z.B. mit der Tagesschau vergleichen, was nicht passt. Und manche Blogger selbst behaupten das, um sich von den Horden der Katzencontent- und Strickblogger abzugrenzen.
Am Ende kam dann noch die bekannte Geschichte von der A-Liste und dem »Long Tail«.
Was ist sonst noch so los? Die »üblichen Verdächtigen« laufen herum, die Mac-Dichte ist hoch und es gibt sogar Club-Mate.
Wenn es interessiert: Was gerade so los ist twittere ich flugs, und was an Bildern anfällt, kommt in das passende Flickr-Set.
Und nun schauen wir mal, was sonst noch so los ist und sagen ein paar Bloghelden »Tach«… ;-)
»The Role of Podcasting in Critical and Investigative Journalism«
Bicyclemark, ein in Amsterdam lebender portugiesischer Podcaster, hält einen Vortrag über Podcasting als kritischen und investigativen Journalismus. Nach einer etwas länglichen und ein wenig gezwungen komödiantischen Einleitung über seinen Namen und sein Blog, erläutert er seinen Begriff »Podjournalism«. Wg. dieses Begriffs hat er irgendwelche Händel mit Wikipedia, lässt sich zumindest aus der Anzahl seiner Seitenhiebe auf selbige schließen…
Ausgangspunkt war in den späten 90ern (Zitat) »The Media Wasteland«, eine sich zusammenschließende schrumpfende Landschaft von Medienkonzernen in den klassischen Gebieten wie Zeitungen, Rundfunk etc.
Investigativer Journalismus, (Zitat) »the greatest we have in journalism«, wurde aus Kostengründen weitestgehend abgeschafft. Stattdessen gab es »Sensationalism« und »Bullshit Journalism«.
Merkmal des Old-Style-Journalism: Alles ist »Top-Down«. Oder auch: Medienkonzerne kochen. Wir essen es.
Irgendetwas musste diese Lücke füllen! Und was kam: Natürlich Blogs! ;-)
Und dann: Der Siegeszug der MP3-Player. Und “Media On Demand”. Und eine Sehnsucht nach dem »Ursprünglichen«, das in der kalten Perfektion allglatter Nachrichtenproduktionen verloren gegangen scheint.
Und auf all dem, dem Verfall der industriellen Medien, den in die Lücke stoßenden Blogs und die durch die Verbreitung von MP3-Playern geschaffene Basis zur Verbreitung von Sendungen »On Demand«, entsteht der Podjournalism, lt. Bicyclemark:
»The unpolished, personal research, focusing on a topic using available resources.«
»Sheds light on something happening in the world that effects people’s lives.«
»Opinion has its place besides actual fact based on research.«
Der Podjournalism hat den »Spirit« der guten alten investigativen Radio-Reporter.
Und die den Bloggern eigene, geradezu konstituierende Subjektivität, die im krassen Gegensatz zum Postulat der Objektivität, steht, welches sich der überkommene Journalismus auf die Fahne schreibt (zumindest formal)? Bicyclemark: »Is a myth!«
Der neue Podjournalism ist »Bottom-Up«: Keine Chefredakteure mehr, die Freiheit, ohne kommerzielle Zwänge kritisch (Werbekunden und damit einhergehende, auch implizite, Schreibverbote für gewisse Themen!) und kreativ sein zu können.
Podjournalism in Action:
joshwolf.net (Wurde bei einer Demo verhaftet, weil er nicht als Journalist anerkannt wurde).
Aussichten: Podjournalism steht im Wettbewerb mit den industriellen Medien, es gibt die Gefahr des Ausverkauf (Zitat): »Old Media has money, we don’t« – Industrielle Medien »kaufen« Podcaster und Blogger!
Und: »Will it survive?« Bicyclemark wagt keine Prognose, sondern sagt: »It’s up to you to decide what happens!«