Die Älteren unter den drei LeserInnen dieses kleinen Blogs werden sich noch an die so genannte »Dot-Com-Tod-Phase« zu Beginn des Jahrtausend erinnern. Nun, in den Zeiten der ökonomischen Rezession, fallen zwischen den kippenden Dominosteinen des Banken- und Autokonzernmonopolys auch Arbeitsplätze in »coolen Internetunternehmen« vom Spielbrett, und die »coolen Internetunternehmen« zeigen ihre hässlichen Seiten.
Wie gesagt, das hatten wir ja alles schon einmal. Ende des letzten Jahrtausends kamen sie, die ein Geschäft witterten, an, zu jedem der »Internet« sagen konnte:
»Arbeite für uns, hey, hier, coole Internet-Projekte, und hey, das ist »New Economy«, wir haben nicht mehr die alten Hierarchien und Grenzen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wir arbeiten alle als große Familie an coolen Sachen und sind alle Freunde«. Bis etwa 2000 und 2001, dann gab es reihenweise die »Du hast 5 Minuten, Deinen Schreibtisch auszuräumen«-Shows zu bewundern, die »Freundschaft« war beendet.
In der Web-2.0-Blase wiederholt sich das. Die Arbeitswelt sieht nicht mehr so aus wie auf dem Bild ganz oben. Heute gibt es coole Büros (Bild nicht ganz oben), Sitzsäcke, ’nen Mac auf dem Schreibtisch, und auch ’ne Wii für die Pause. Und wieder sind wir eine große Familie die coole Internetprojekte baut. Bis zu dem Zeitpunkt, wo das Geld ausgeht, dann unterscheiden sich die Arbeitswelten auf den beiden Bildern nicht mehr. Die Frage der Macht in Arbeitsverhältnissen ist unverändert und glasklar und hat sich seit der Industrialisierung nicht geändert.
Das bedeutet: Auch wenn Ihr in coolen zwonulligen Startups oder sich zwonullig gebenden Alt-Unternehmen mit ja ach so flachen Hierarchien arbeitet – achtet auf klare vertragliche Regelungen des Arbeitsverhältnisses, macht Euch Eure Rechte als Arbeitnehmer bewusst. Zieht eine klare Grenze zwischen der abhängigen Arbeit und dem »Rest des Lebens«, auch wenn die Arbeit Spaß macht.
Gründet vielleicht ab einer bestimmten Größe des Unternehmens Betriebsräte – ja, ist so gar nicht neu, bunt, cool und zwonullig und scheinbar ja so total altmodisch. Aber es kann der Tag kommen, wo man froh sein könnte über solche ach so altmodischen Sachen. Glaubt es einfach einem alten Mann ;), der so manches ruhmlose Ende einer »coolen« Internet- oder IT-Unternehmung und die damit einhergehenden Verwerfungen miterlebt hat.
Der Tag ist nicht mehr fern, wir sind auf dem besten Weg dahin, da transportiert das so genannte »Social Web« nur noch eine »Message«:
»Kauf, Leser. Hörst Du nicht? Kauf, Leser, Du Sau, kauf endlich!«
Ich negiere nicht die individuelle Notwendigkeit eines Netz-Publizisten, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, wenn aber der Feed eines bekannten deutschen Mac-Weblogs nur noch aus Überschrift, Lamer-Bar-Links und fettem Werbe-Banner besteht, dann ist einfach ein Punkt erreicht, wo ich mir sage:
Nö Du, Blogger, Publisher, was auch immer, ich abonniere das nicht mehr.
Das ist natürlich zunächst einmal nur mein höchstpersönliches Problem. Es ist aber meine Überzeugung, dass jemand, der für seine treuen Leser, und das sind ja in der Regel die, die einen Feed abonnieren, keinen Inhalt, sondern nur noch ein »Kauf, Du Sau« übrig hat, auf die Dauer diese treuen Leser verlieren wird.
Okay, die Zeiten von »eine Frau, ein Blog« oder »ein Mann, eine URL« sind vorbei. Heutzutage sind wir im Netz verteilt, Twittern hier, legen Links dort ab, usw. Und kaum sind wir verteilt, wollen wir uns wieder vereinen. Dazu baut/installiert man sich einen Aggregator, der dann alles, was man erst verteilt, wieder zusammen fasst. Auch dagegen ist ja nichts einzuwenden. Wir wollen überall dabei sein, für jede Mikroanforderung ein spezialisiertes Mikrotool haben, aber dann doch irgendwie wieder eine Einheit mit uns selbst bilden.
Was aber nicht geht, ist: Alle Links in deli werfen, diese dann per Skript twittern, das Getwittere und die Links dann wieder in Blogeinträge aggregieren, daraus dann automatische Blogeinträge erzeugen, die dann automatisch getwittert werden. Und dann natürlich per Skript zu identi.ca übertragen werden. Wir sind Mensch 2.0, alles was wir tun muss überall sein. Und alles zusammen wird dann noch einmal in einen Feed aggregiert. Von manchen Herrschaften lese ich Links und Tweets bis zu vier Mal. Bei aller Sympathie für die sich dahinter verbergenden Personen: Da werde ich bald einmal massiv unsubskribieren müssen.
Versetzt Euch beim Kreuz- und Queraggregieren mehr in »normale« Leser und »Follower«, statt zu versuchen, jeden nur theoretisch auftretenden Fall, wo einer etwas »Wichtiges« verpassen könnte, abzudecken. Danke! ;)
Wann immer in der Welt etwas Schlimmes passiert, trompetet es durch das Netz: »Jaaaa, wir hier im Web 2.0 sind ja soooooo viel schneller als diese ganze komischen langsamen Hanseln in den alten Medien.« Twitter, everybody’s web darling – zumindest, wenn es gerade nicht an Skalierungsschmerzen leidet – wird in diesem Zusammmenhang stets besonders lobgepriesen. Ob Erdbeben in China oder Rauch über Berlin, über Twitter erfährt man sofort davon.
Die Frage ist nur: Was habe ich davon, ist Geschwindigkeit überhaupt eine unumstrittene Tugend auf dem weiten Feld der Information?
Rückblende: 2002, der so genannte »11. September« war noch frisch. Drei- bis viermal im Monat gab es auf dem (oft auch »so genannten«) Nachrichtensender n-tv ein journalistisch entwürdigendes Spektakel zu bewundern. Wann immer in den USA irgend etwas passierte, bspw. ein brennendes Auto an einem Flughafen (was dann letztendlich nur ein Unfall war), wischte n-tv sein Programm beiseite und hing sich, ganz Zweitverwerter, an die stundenlangen Übertragungen der sensationslüsternen amerikanischen TV-Networks, offenkundig von der Hoffnung beseelt, das »nächste große Terror-Ding« live auf dem Sender zu haben. Letztendlich aber wurde eine Menge Sendezeit für irrelevantes Zeug geopfert.
Zurück in das Jetzt. Es ist die Zeit des »benutzererzeugten Inhalts«, und wenn Frau oder Herr Bürger, ausgestattet mit technischem Equipment zur direkten Übertragung in Ton, Wort und Bild, etwas Aufregendes erlebt, so geben sie in der Regel dem Drang nach, der Welt davon zu erzählen. Und in den Zeiten 2.0 kann man »der Welt davon erzählen« durchaus wörtlich nehmen.
Aber es hat einen guten Grund, dass nicht für alles und jedes die Programme unterbrochen werden: Es geht nicht nur um Geschwindigkeit, sondern auch um Fakten sammeln und Einordnen des Geschehens. Ohne natürlich die Opfer verhöhnen zu wollen (man weiss ja, alle kriegen alles in den falschen Hals), aber es ist egal, ob ich von einem Erdbeben in China jetzt, in der nächsten Tagesschau oder erst am nächsten Morgen aus der Zeitung erfahre. Dass Twitter schnell ist, ist schön. Aber wertlos, so lange der Bürgerjournalimus 2.0 nicht einordnet, sondern lediglich die »Klein-Fritzchen erlebt auch mal etwas Aufregendes«-Perspektive durch die technischen Möglichkeiten in die ganze Welt befördert. Das Glorifizieren der Geschwindigkeit ist lediglich ein Berauschen an der plötzlich zufallenden technischen »Macht«.
»So berichtet Jörg Armbruster, der bis 2005 für die ARD im Nahen Osten war, wie ihn ein Tagesschau-Redakteur aus dem Bett klingelte. Gegen zwei Uhr morgens habe der von einem Anschlag erzählt. Eine Diskothek brenne, Hotels seien zerstört und westliche Touristen getötet worden. ›Mein Einwand, ich müsse mich erst einmal informieren, zählte wenig‹, schreibt Armbruster. Hamburg habe ihm die ersten Informationen einfach durchgegeben, die er dann als ›Jörg Armbruster live aus Kairo‹ ausgab.«
So läuft das, und das ist untragbar. Kann man das Werten von Geschwindigkeit als Primärtugend den Laien im Web verzeihen, geht das bei Journalisten nicht. Geschwindigkeit mag eine Tugend sein. Aber Informationsqualität ist auch eine. Und nicht einmal die unwichtigere. Es ist an uns Zuschauern, diese Qualität einzufordern und zu honorieren.
In Deutschland tobt ein Krieg! Es wird um die Zukunft der überkommenen Medien im Web gekämpft. Verleger, Öffentlich-Rechtliche Sender und die gewählten Regenten dieser Republik sind der Ansicht, dass im Web jetzt mal »Schluss mit lustig« ist und Regulierungen her müssen. Politiker regulieren gerne, und die Verleger freuen sich stets über Regulierung, wenn sie ihren ökonomischen Interessen dient. Deshalb verläuft die Front derzeit zwischen der gemeinsamen Heeresleitung von Verlegern und Ministerpräsidenten (vor allem schwarzer politischer Couleur) auf der einen und den Öffentlich-Rechtlichen Sendern auf der anderen Seite. Die mögen zwar auch Regulierung, aber anders, sehen sie sich doch als Gralshüter des »Schönen Wahren Guten« gegen die fiesen kommerziell motivierten Meinungsmachtkonglomerate der Verleger.
Die Verleger führen den Kampf mit den ihnen zur Verfügung stehenden publizistischen Bodentruppen, besonders hervor tat sich dabei die FAZ, die seit Monaten mit tendenziösen Artikeln wie diesem die Öffentlich-Rechtlichen (ÖR) unter schweres Artilleriefeuer nimmt. Dass diese, insbesondere mit dem GEZ-Unwesen, mitunter ein leichtes Ziel abgeben, ist zwar wahr, ändert aber nichts an Schussrichtung und Motivation der Angriffe.
Gestern abend (30.4.08) schlug die ARD mit einem gezielten Raketenangriff zurück. Im Beitrag »Quoten, Klicks und Kohle« wurde über den Schatten des für die ÖR typischen Abwägungsgebot gesprungen und eine volle publizistische Breitseite abgefeuert. Nach dem bei »Wortfeld« zu lesenden durchgesickerten Entwurf eines neuen Rundfunkstaatsvertrag sollen die Aktivitäten der ÖR auf reine Sendungsbegleitung gedeckelt werden, was den Abschied für Angebote wie tagesschau.de bedeuten würde. Den Verlegern sind die Nachrichtenangebote der ÖR ein Dorn im Auge, denn wer sich dort umfassend informiert, besucht nicht mehr die ebenso seriösen wie informativen Klickstrecken von Angeboten wie welt.de, um dort als Klickvieh Seitenabrufe zu generieren. Der ARD-Beitrag nahm sich dem Thema auf unterhaltsam polemische Weise an und unternahm eine Reise durch die schöne neue Welt der Verleger im Web.
Die Botschaft zusammen gefasst: Die Verleger wollen die ÖR im Web weg haben. Der gesetzliche Informationsauftrag der ÖR ist in Gefahr, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger nur noch auf den niveauärmeren privaten Angeboten »informieren«. Autor Thomas Leif besuchte mit der Kamera die Chefs und Redaktionen der Verleger-Angebote im Web, und deren Motivation wurde hervorragend herausgearbeitet. Die Verleger merken, dass die alten Medien Seher und Leser verlieren und wittern nun im Web das Geschäft. Hier können sie expandieren, nun auch Fernsehen machen, das sie aber lieber »Videojournalismus« nennen, denn Fernsehen in Deutschland unterliegt bekanntlich strengen Regeln. Zuschauer, die lieber auch im Web den (m.E. im großen und ganzen hervorragenden) Journalismus der Tagesschau aufrufen, statt sich den etwas einfältigen »User-Generated-Häppchen-Content« à la Zoomer rein zu ziehen, stören das Geschäft.
Apropos, besonders unterhaltsam war der Besuch bei zoomer.de. Fremdschämen war angesagt als ein Zoomer-Redakteur befragt wurde und eigentlich nicht so recht wusste, was er bei Zoomer so treibt. Und es gab einen unrühmlichen Auftritt von Mercedes Bunz, Online-Chefredakteurin des Tagesspiegels (von Holtzbrinck, die auch hinter Zoomer stehen), die Leif mitteilte, dass sie alles, was die ARD dort gedreht hat, vor der Veröffentlichung erst kontrollieren möchte. Im Schützengraben des publizistischen Stellungskriegs redet man halt anders als auf den Podien der »Web-Yeah-User-Super-Freiheit«-Zusammenkünfte dieser Republik, das war die ganz alte Schule…
Wer in diesem Krieg gar nicht vorkommt, sind wir, die wir »Web-2.0-mäßig« Inhalte unterhalb des Radars erzeugen. Das ist nicht das Schlechteste. Denn in einem Punkt sind sich die Kriegsparteien einig: Das mit dem Web jeder einfach so, am Ende auf eigene Rechnung und mit eigenen Produktionsmitteln, seine Inhalte einstellen kann, das geht auf keinen Fall…
Mein letzter Barcamp-Besuch ist schon anderthalb Jahre her, bei den in Frage kommenden Veranstaltungen seit der deutschen Barcamp-Initialzündung damals in Berlin kam stets etwas dazwischen. Also war es mal wieder höchste Zeit, da kam das Barcamp Offenburg, nicht weit vom Karlsruher »uninformation-HQ« entfernt, gerade richtig.
Zunächst mal ein großes »Danke schön« an das Orgateam, den Gastgeber Burda und die Sponsoren. Wir Barcamper wurden auf das Allerbeste versorgt mit Nahrung, Getränken, WLAN, einem Dach über den Kopf und einem für den plötzlichen Frühlingsausbruch im Badnerland perfekt passenden lauschigen Garten.
Wie sagen die jungen Leute: »Orga-Team, ihr habt gerockt!« ;)
Der organisatorische Rahmen war also perfekt bereitet, es lag an den Barcampern, gemäß der ehernen Barcamp-Regel »keine Zuschauer, nur Teilnehmer« etwas daraus zu machen. Was nach meinen Eindrücken gelungen ist. In den Sessions, an denen ich teilgenommen habe, gab es einen regen fachlichen Austausch und niemand nutzte die Gelegenheit als Vehikel für irgendwelche Werbeaktionen für eigene Unternehmungen, was Barcamps bekanntlich gerne von denen, die gar nicht da waren, unterstellt wird. Im Gegenteil, in allen Gesprächen war eine Freude am freien Austausch zu spüren. Auch am Sonntag, als es spürbar leerer wurde, füllte sich die Session-Wand ziemlich schnell mit interessanten Themen. Und auch das Vergnügen bei informellen Gesprächen im Garten kam nicht zu kurz. Fazit: Ich war eigentlich ohne konkrete Erwartung angereist und angenehm überrascht, so macht das Spaß.
Da mich unter dem Motto »Meine Daten sind meine Daten« das Thema »Ausbruch aus den umzäunten Mauern der kommerziellen Social Networks« gerade interessiert, hatte ich kurzentschlossen eine unvorbereitete Session zum Thema »Freie soziale Netzwerke« vorgeschlagen, die zu einem interessanten Austausch wurde. Das Thema ist im Moment Objekt vielfältiger Bemühungen, Stichworte sind dazu bspw. Open Social, DataPortability oder OpenID und Werkzeuge wie OAuth, FOAF, xfn, APML und die Grundidee des »Semantischen Webs«. Es wurde beklagt, dass die großen »Player« in üppig besetzten Gremien gewaltige Dokumente verfassen, statt ein wenig »agiler« zu denken und mit den vorhandenen Werkzeugen und Möglichkeiten erst einmal zu starten. Wenn etwas implementiert wie, wie z.B. OpenID bei Yahoo!, dann ist das halbherzig. So kann man z.B. Yahoo! als OpenID-Provider benutzen, sich dort aber nicht mit einer außerhäusigen OpenID einloggen. Beides gehört aber eigentlich zusammen.
Es gibt auch Ansätze für freie Vernetzung von unten, wie das Projekt Noserub, das aber noch in den Kinderschuhen steckt. Man darf gespannt sein, ob und was aus diesem Mix aus Technologien und Organisationen entstehen wird und wer mitspielen wird. Ein Thema, wo man dran bleiben und mal etwas experimentieren muss.
Und natürlich nicht die Regeln vergessen: »Regel 1: Du sprichst über ein BarCamp. Regel 2: Du bloggst über ein BarCamp.« Wer sich dran gehalten hat ;), kann man im Barcamp-Wiki nachlesen.
Morgen ist es endlich soweit: Die re:publica 08 geht los, und sogar die dpa hat es bemerkt. Wie bereits angekündigt, ich bin dabei, wenn in der Hauptstadt der Digitalen Bohème wieder nach Kräften alles rund um Blogs und »Web 2.0« problematisiert wird.
Mein Lieblingsvortrag wird natürlich der zum Thema »Von Placeblogging und Stadtwikis« am Donnerstag um 10:30 Uhr werden, dessen Besuch ich nur empfehlen kann.
Die Kulmination des Problematisierwillens wird dagegen garantiert der Vortrag »Geld verdienen mit Blogs – reloaded« gleich danach werden. Gebannt werden jene Horden von JungbloggerInnen, deren Mangel an originärer eigener Stimme durch eine exorbitante Gier nach Werbeeinnahmen ausgeglichen wird, an den Lippen der Referenten hängen, um den Tipp zum lukrativen Probloggen ohne Pro aufzuschnappen…
Zum »Taggen« von Inhalten aller Art soll man die Tags »re-publica08«, »republica08« und »rp08« benutzen.
Auch die in diesen Zeiten omnipräsenten »Social Networks« werden thematisiert.
Apropos: Am Beispiel der re:publica kann man wunderbar erkennen, wie der Hang zu umzäunten »Social Networks« zu einer Fragmentierung der Information führt. Wer ermitteln möchte, wer denn alles so da sein wird, kann in der Teilnehmerliste im Wiki nachschauen. Oder im re:publica-Mixxt-Netzwerk. Oder in Facebook. Oder in Xing. Oder in venteria. Und das war garantiert noch nicht alles. Das, verehrte Zielgruppe, ist Fortschritt. ;)
Twitter ist kaputt. Im virtuellen Großraumbüro der Digitalen Bohème ist das große Schweigen eingekehrt, niemand hört mehr die getippten Schreie aus den Abgründen des digitalen Wirtschaftens…
[Nachtrag] War wohl nicht so gemeint, denn seit der Monster-Auszeit gestern/heute gehen Twitter und Joyent getrennte Wege. Was lernen wir draus: Traue keinem Corporate-Blog-Schmu, den Du nicht selbst verbrochen hast!
Auf der Learntec 2008, die gerade hier in Karlsruhe statt findet, kam es am Abend zu einer Podiumsdiskussion mit dem wunderschönen Titel »St. Google und die Webdrachen« mit, u.a., genau jenem Prof. Maurer. Das musste ich mir natürlich anschauen, es geht doch nichts über die persönliche In-Augenschein-Nahme…
Letztens habe ich was aus uralten Zeiten gesucht. Und dann in meinem alten Blog gefunden. Immer gut, ein paar Kübel mit Daten parat zu haben!
Aber heute sind die Zeiten anders. Man bloggt an verschiedenen Orten, produziert bombastische Inhalte in Web-2.0-Diensten, man schwimmt in einem Strom dezentraler Informationsströme wie eine Amöbe im reißenden Gebirgsbach: Die Form variierend, aber stets der selbe Einzeller. ;-)
Wiederfinden und Einsammeln wäre aber trotzdem nicht schlecht. Drum hat, wer was auf sich hält, einen so genannten »Lifestream« in seinem Blog, so wie Jeremy Keith. Brauche ich auch!
Dienste wie Yahoo Pipes oder Jaiku liefern brauchbare Werkzeuge dazu, aber das moralische Gebot, stets das »Eigentum an Produktionsmitteln« anzustreben, erfordert eine eigene Lösung.
Et voilà, ein wenig Rails mit den FeedTools, und fertig ist die ultimative »Ralf-im-Web-Total-Seite-mit-Feed«: Panta Rei
Panta Rei aggregiert allerlei RSS-Feeds von Quellen mit meinen Inhalten. Im Gegensatz zu anderen Lösung, die live APIs oder RSS-Feeds abrufen, habe ich mich zu einer Datenbanklösung entschlossen. Die Feeds werden regelmäßig überprüft und neue Einträge in der Datenbank abgelegt. Dadurch erreicht man mehr Stabilität und gewinnt die Möglichkeit, Tag-Wolken und tag-basierte Aggregierungen von seinem gesamten Web-Output durchführen zu können.
So haben die geneigte Leserin und der geneigte Leser also fortan zwei RSS-Feeds zur Auswahl:
Panta Rei – Der Total-Feed. Dieser Feed enthält neben allen Inhalten aus Uninformation.org zusätzlich die dort aufgelisteten gesammelten Werke.
Die Bedingungen sind wie bisher: Alles steht unter einer Creative-Commons-Lizenz, kommerzielle Verwendung (und dazu zähle ich auch öffentliche RSS-Aggregatoren mit Werbung aller Art) ist nicht erlaubt, Zuwiderhandlungen werden mit einer scharfen Axt nach Einbruch der Dämmerung verfolgt…
»In Wahrheit war ich nie verreist
Wie das Protokoll beweist«
Tocotronic »Aus meiner Festung«
Entlassen aus der Blogblues-Klinik. Wo war er denn? In der digitalen Kaufbedürfnisweckanstalt namens »Web 2.0«. Z.B. in Twitter unterwegs. Muss leider »privat« sein, denn natürlich kommt sofort wieder einer und baut eine Twitter-Suche. Als ob alles erhalten, archiviert, getaggt, zugänglich sein muss. Selbst 140 dahingerotzte Zeichen. Ich glaube, wenn ein Dienst käme und Eure Telefongespräche automatisch als Podcast zugänglich macht, dann würdet Ihr sogar das toll finden…
Apropos Blogblues. Ein Blogger wäre kein Blogger, wenn er die Tatsache, gerade keinen Bock zu haben, nicht gebloggt und umgehend zum griffigen »Phänomen« stilisiert hätte. Zumal er (so er ein bißchen A-listet) weiß, dass die in den letzten ca. zwei Jahren entstandene Claque-Blog-Masse von niedrigem Blogtalent, also die, die »der Blog« sagen und begierig repetieren, was der Meister, wer immer das auch gerade ist, gebloggt hat, so etwas gleich gierig aufgreift. Einfach mal Mund halten ist nicht mehr drin, unter Phänomen geht hier nix. Blogosphäre, man muss Dich lieben! ;-)
Und ja, die Geschäfte als »Digitaler Bohème« laufen auch, auch ohne permanenten Ego-Striptease im Blog darüber. Letzteres ist tröstlich, oder? ;-)
Nach dem abendlichen Auftakt der Tagung »ICH, WIR & DIE ANDEREN« ging es am gestrigen Freitag mit vollem Elan an die digitale Sache. Das wuchernde Beet des Web-2.0 sollte auf seine »demokratischen und ökonomischen Potenziale« abgeklopft werden. Zu diesem Zwecke ließ sich das interessierte Publikum etwa 11 Stunden in den finsteren tageslichtlosen Kubus des ZKM sperren, in dem es sonst lustig blinkende und leuchtende Kunstwerke zu bestaunen gibt. Dieses Mal wurde aber den in vier Themenblöcken zu je drei Vorträgen organisierten Vortragsblöcken gelauscht, die in Sachen Anspruch und Niveau eine Achterbahnfahrt boten.
Zum Auftakt gab es in einem verdunkelten Würfel des ZKM eine Abendveranstaltung mit vier Einführungsreden und Diskussion. Über die Eröffnungsrede des Karlsruher Kulturbürgermeisters Ullrich Eidenmüller wollen wir den gnädigen Mantel des Schweigens wehen lassen. Danach übernahm Helga Kirchner vom WDR (deren Vorstellung der peinliche Herr Eidenmüller vergaß, was wohl seine einzige richtige Aufgabe gewesen wäre), die Moderation des Abends. Im Folgenden folgen die Kerngedanken der Akteure, nach meinen im Halbdunkel getätigten Notizen, evtl. sachliche Fehler und fehlerhafte Zitate sind natürlich allein meine Schuld.
Für den verhinderten TV-Philosophen und HfG-Rektor Peter Sloterdijk sprang sein Stellvertreter Uwe Hochmuth ein und fuhr gleich die ganz große Theorie auf, indem er die Grundzüge des Habermasschen »Herrschaftsfreien Diskurs« ausführte. Und das so ausgiebig, das er, von Frau Kirchner zum Blick auf die Uhr ermahnt, den Rest seines Vortrags von Hektik getrieben erledigen musste. Der Kern von Hochmuths Ausführungen war die These, dass, wenn wir das »Web Zwei« als im Rahmen eines konstatierten »Strukturwandels der Öffentlichkeit« sich herausbildenden neuen Raum zur gesellschaftlichen Debatte verstehen, dieser Raum frei von strategischen, politischen und kommerziellen Interessen sein muss. Denn sonst hat das »Ergebnis« dieses Diskurses, dass nach Habermas’ Theorie als Konsens von den Teilnehmern akzeptiert und in gesellschaftliches Handeln übernommen werden soll, aus naheliegenden Gründen keinen Geltungsanspruch. Hochmuth warnte in diesem Zusammenhang vor einer »Besoffenheit an der Technik«, denn die Technik stellt nur den Raum zur Verfügung, nicht den Gegenstand, und: »Kompetenz kann nicht durch Technik ersetzt werden.« Eben.
Als nächster ging Andy Müller-Maguhn, ex-Sprecher des CCC und passionierter Verschwörungstheoretiker, ans Mikro. Sein Vortrag stellte einige Eigenschaften des Web-2.0 vor. So stehe selbiges theoretisch für eine Plattform der Selbstdarstellung des agierenden Individuums, eine »soziale Vernetzung«, eine »interessenskompatible Verlinkung« und den Austausch unter den Teilnehmern. Praktisch sei das Web-2.0 aber mehr eine Geschäftsidee, die aus dem Verkauf eingesammelter, vom Benutzer freiwillig eingestellter Daten basiert. Klassisches Beispiel dafür: StudiVZ. Danach ging Müller-Maguhn auf das Verhältnis von »Individuum und Gruppe« im Web-2.0 ein, anhand seiner berühmt-berüchtigten Tron-Fehde mit Wikipedia. Das Web-2.0 fördere, wie die Tron-Sache zeige, eben keinen »herrschaftsfreien Diskurs«, sondern im Gegenteil die »Bildung eines Mobs« von Leuten, deren Interesse Dingen wie ihrem Einfluss und ihrer Machtposition gelte, aber nicht der Sache. Da der Einzelne im Web-2.0, wg. der »ungleichen Realitätsbeherrschungskompetenz«, vielleicht gar nicht einschätzen kann, ob ein Diskurs nun einer Sache diene oder einem anderen Interesse, müssten von äußeren Interessen freie und geschützte »Schutzräume« im Internet entstehen.
Mercedes Bunz, danach an der Reihe, überraschte zu Beginn mit einer Einführung in »Web 2.0« in kindgerechter Sprache. Danach kam sie in einem, leider etwas uninspiriert vom Blatt abgelesenen Vortrag, zu ihrem eigentlichen Anliegen: »Rettet das Internet«, forderte sie. Unsere Regierenden sehen das Internet nur als Gefahr, sie »haben keinen Plan dafür, sondern nur Angst davor«. Dabei wäre ein Plan dringend nötig, denn aus der deutschen Internet-Ökonomie kommt nichts außer Nachbauten amerikanischer Erfolgsgeschichten. In den USA dagegen sei das Internet schon in den 90ern staatlich gefördert worden. In Deutschland aber würde, wg. Marx, Technik als »böses Produktionsmittel« angesehen. Damit müsse Schluss sein, wir brauchen einen »neuen Marxismus«, der sich die Technik aneignet, die Bedeutung des Internets als öffentlichen Raum erkennt, diesen zugänglich macht und das Agieren und Arbeiten in diesem Raum ermöglicht.
Geert Lovink begann anschließend seinen Vortrag mit der schon berühmten Kartendarstellung der Internet-Communities. Und noch viel mehr Statistiken und Grafiken, die seinem Vortrag zu Beginn gewisse Längen verleihen. Diese sollen eines belegen: Das Web ist nicht nur »sekundäre Öffentlichkeit«, wie uns die alten Medien, um ihre Rolle als Filter und »primäre Öffentlichkeit« fürchtend, weismachen wollen. Durch die »Massifizierung« des Webs ist es als öffentlicher Raum für »Gesellschaft« relevant geworden. Darum darf sich eine moderne Netzkritik nicht in eine »Oase des negativen Denkens« zurück ziehen, sondern muss diese Realität anerkennen und den Raum aktiv gestalten. Damit solle man gleich anfangen und das große »Tabu« ansprechen: Die Rolle von Google in der Netzwelt. Google, in seiner selbstgewählten Rolle als Archivar der Daten der Menschheit, stellt das digitale Archiv zur Verfügung. Das war aber eigentlich immer eine originäre Aufgabe des Staates und anderer öffentlicher Organisationen. Darum müsse dem Einhalt geboten werden und Google von einer Firma in eine öffentliche Organisation im Rahmen der UNO überführt werden: »Enteignet Google!«
Das war ein Knalleffekt zum Abschluss! Es gab dann noch eine Podiumsdiskussion unter sanfter Publikumsbeteiligung. Von denen, aus dem Publikum, waren aber zwei Beiträge so peinlich (Fremdschämen-Alarm! ;-)), dass die Riege auf dem Podium darauf nicht weiter einging. Andy Müller-Maguhn brillierte mit seiner Einschätzung der politischen Klasse der BRD als »alte Säcke«, von denen man nichts mehr erwarten könne, während Uwe Hochmuth eine differenziertere Betrachtung einforderte. Und sich mit Mercedes Bunz über deren eigentümliche Nutzung des Begriffs »Marxismus« stritt. Dabei wirkte Frau Bunz aber souveräner, klarer Punktsieg für sie.
Man will ja kein »Dinosaurier« im NetNewsWire werden. Apropos, etwa 80 Feeds mussten dort weichen. Problematisierer. Nicht-Thema-Thematisierer. Glaubwürdigkeits-Verkäufer. Jene, die sich als kläffende Claque eitler Selbstdarsteller gefallen. Man ist hin- und hergerissen zwischen der alten Faszination für das Medium »Weblog« und der wachsenden Abscheu vor Praxis und Personen des Blog-Mainstream. Jenen, die »der Blog« sagen. An ihren Worten erkennt man sie schon.
Überhaupt. Lernfähig sind in diesen Zeiten anscheinend die wenigsten. Flickr sagte uns etwas. Nämlich: »Du sollst nicht vorhalten Deine wichtigen Daten bei einem zentralisierten kommerziellen Dienst.« Und was machen alle? Staunen, weil der nächste, wenn auch aus gänzlich anderen Gründen, spurlos verschwindet.
Noch einmal »apropos«. Wir, übrigens, bleiben erst einmal bei flickr. Weil: Den einen zentralisierten Dienst zu verlassen, um beim nächsten einzukehren, ist hochgradig albern. Na gut, na gut, wenn man Ego-Schulterklopfen und -Gewissensberuhigung schätzt, dann schon. In der Sache ist aber einzig und alleine der Aufbau einer dezentralen Alternative sinnvoll. Das braucht aber ein wenig Zeit, die derzeit nicht da ist.
Warum eigentlich »wir«? Wir alle sind wir. Der durch das Web marodierende Mob. Das Verkaufen des Verselbstständigens der Leserbriefspalte im Web als emanzipatorischen Akt der digitalen Moderne ist der Hit des Jahres. Das Zucken einer sterbenden Gattung. So verdanken wir nun den modernen Zeiten, dass wir in der Zwo-Null-Offensive des Zentralorgans der gebildeten Rechten empirisch belegt bekommen, was wir in all’ den Jahren (besonders in den 90ern, als »Die Welt« federführend im »Serbien muss sterbien«-Diskurs war) schon immer wussten: Dass die Leserschaft des Blatts ebenso unappetitlich ist wie das Blatt selbst. Das ist Fortschritt. Aber nicht nur Rechts. Wer diese Kommentare zu diesem Artikel liest, möchte unweigerlich flehen: »Bitte, bitte, macht das weg. Wir wollen unsere Mitmenschen nicht täglich zu jedem Artikel lesen…«
Und sonst? Die neue Tocotronic ist einfach großartig, so großartig, dass eine Zeile daraus gleich als Überschrift herhalten musste. Und es sind die großen Dinge, die keine Schatten werfen. Und diese Woche geht es nach Berlin. Aber ich schweife ab…
Regelmäßig werden Säue durch die digitalen Dörfer getrieben, die das nächste große Ding werden. Kennt man mittlerweile zur Genüge. Aktuell an der Reihe: Facebook. Alle melden sich an, auf eine soziale Plattform mehr oder weniger kommt es schließlich nicht an in der stolzen Sammlung von Accounts des typischen Web-Geeks. ;-)
Eigentlich war Facebook nur das, was StudiVZ und Konsorten eingedeutscht und nachgebaut haben: Eine Partnerbörse…, Verzeihung, ein »Social Network« für Studierende, wo man sich in mittlerweile altbewährter Weise nach gewissen Vorlieben und Interessen Online organisieren kann. Facebook galt als die »saubere« und etwas langweilige Alternative zum brodelnden MySpace. Oder, wie Danah Boyd schrieb, MySpace und Facebook bildeten Online die sozioökonomische Spaltung der amerikanischen Gesellschaft ab.
Jedenfalls, 2004 von Mark Zuckerberg gegründet, wurde Facebook ein grandioser Erfolg und hat heute über 25 Millionen Mitglieder, die sich an altersgerechten sozialen Online-Vergnügungen erfreuen.
So weit, so gut. Nichts, was man bräuchte, wenn man kein juveniler Studierender an einer US-amerikanischen Bildungsinstitution ist.
Strategiewandel
Eines Tages aber beenden die Facebook-Mitglieder ihr Studium und wollen die sozialen Bindungen der Plattform erhalten. Folgerichtig öffnete sich Facebook und zielt nun auch auf ältere Semester, die nicht mehr unbedingt studieren müssen und scharf auf Nelly…, Verzeihung, die gut ausgebildet sind und konsumfreudig im Berufsleben stehen. Und, wenn wir Danah Boyd glauben möchten, zur finanzkräftigeren Hälfte gehören. Kurz, an deren Dollars jeder ran möchte, der sich den Broterwerb im Web auf die Fahnen geschrieben hat. Natürlich auch Facebook.
Facebook als Plattform
Am 24. Mai verkündete Mark Zuckerberg mit angemessenem medialen Getöseden Start von Facebook f8, einer Entwicklungsplattform, die es Drittanbietern ermöglicht, Anwendungen in einer proprietären Sprache zu entwickeln, die innerhalb von Facebook ablaufen und die sich jeder Facebook-Nutzer in sein Profil einbauen kann. Facebook möchte nicht weniger als das »social operating system« des Webs sein! Boah! Wenn schon, dann richtig, dachte sich unser jugendlicher CEO….
Warum aber sollte man Widgets für Facebook entwickeln? Damit man auf einen Schlag eine potenzielle Benutzergruppe von 25 Millionen Facebook-Mitgliedern verfügbar hat. Und das funktioniert. Wie man dem Anwendungsverzeichnis entnehmen kann, sind einige der am heutigen Tage über 1.100 Anwendungen bereits millionenfach in Benutzer-Profile integriert.
Der Vorteil liegt auf der Hand: Man kann seine Dienstleistungen und Waren in den Marktplatz Facebook tragen und braucht sich nicht um das mühsame Einsammeln von Menschen in den Weiten des Netzes zu kümmern. Das übernimmt Facebook. Und erlaubt ausdrücklich das Geld verdienen.
Also?
Eine rundum gute Sache also, dieses neue Facebook. Oder nicht?
Kommt drauf an. Eigentlich ist ja bereits das gute alte »World Wide Web« das »social operating system«, in dem wir uns alle bewegen. Die Einführung von umzäunten Inseln des Kommerzes, in dem ein gütiger Herrscher das Sagen hat, ist für das Web insgesamt kontraproduktiv. Wer Geld im Web machen möchte, liebt aber natürlich die Ordnung des »walled garden« im chaotischen Web. Facebook ist damit das »neue AOL«, wie Jason Kottke in einem klugen Beitrag schrieb. Jeder, der dort Geld verdienen möchte, darf sich also über die Facebook-Plattform freuen. Wem mehr das Web als gesamtes, als kultureller Raum, am Herzen liegt, eher weniger…
Und dann gibt es da noch das Problem, das jeder umzäunte Garten hat: Der Eigentümer hat das Sagen innerhalb der Mauern. Was für den von kommerziellen Motiven getriebenen kleinen Facebook-Entwickler ganz und gar nicht ohne Risiko ist, wie im Vecosys-Blog ausgeführt wird. Was passiert mit der investierten Zeit und der Anwendung, wenn Facebook mal eben die Spielregeln ändert? Möchte man das Risiko eingehen, sein Geschäft auf einer Nutzerbasis aufzubauen, die nicht die eigene ist?
Und es sind nicht alle so gleich, wie es scheint. So konnte man verschiedentlich lesen, dass einige Anbieter schon vor dem öffentlichen Start Ende Mai Zugang zum API hatten.
Man darf gespannt sein, was dort passieren wird. Meiner unmaßgeblichen Einschätzung nach werden wir in erster Linie Widgets von Diensten sehen, die sowieso schon selbst mehr oder weniger stark »draußen im wilden Web« vertreten sind und, angesichts des vertretbaren Entwicklungsaufwand, Facebook zusätzlich »mitnehmen« wollen. Das es Geschäfte, die einzig und allein auf das Agieren innerhalb der Facebook-Plattform setzen werden, in nennenswerten Umfang geben wird, erwarte ich hingegen weniger. Und, viel wichtiger, Facebook wird ein Indikator sein, ob es nach der Phase der Öffnung im Web zu offenen Standards einen Trend zurück zu den proprietären »walled gardens« geben wird…
»We are the angry mob
We read the papers every day
We like who we like, we hate who we hate
But we’re also easily swayed«
(Kaiser Chiefs »The Angry Mob«)
»Hier ist was los« verkündete flickr gestern freudestrahlend im Blog, und meinte damit die Verfügbarkeit von flickr in mehreren Sprachen. Mit der Lokalisierung der Website wurde heimlich, still und leise ein weiteres »Feature« eingebaut. Man kann nun seine Suchen filtern, damit man nicht versehentlich auf nacktes Fleisch trifft (Ihr wisst schon, z.B. die jungen Damen, die mit neckischen Selbstportraits nicht nur die Anzahl der Fav-Sternchen in die Höhe treiben), wenn man in flickr seine Tags durchsucht. Mit einer dreistufigen Einstellung kann man diese Filter konfigurieren. Fast überall. Nur nicht in Singapur, Hongkong, Korea — und in Deutschland. In voreiligem Gehorsam gegenüber dem neuen Schäuble-Deutschland hat flickr beschlossen, dass seine deutschen Benutzerinnen und Benutzer ab sofort nur noch »saubere« Bilder zu sehen bekommen. Das hat völlig absurde Auswirkungen, wie im Forum wunderbar dokumentiert bewundert werden kann.
Und nun ist wirklich »was los«! Es versteht sich von selbst, dass das für uns, die deutschen flickr-NutzerInnen, völlig inakzeptabel ist. In den Zeiten des Web-2.0 formiert sich aber die Benutzerschaft zum Gegenschlag, und so flutet die deutsche Gemeinde, ausgehend von diesem Eintrag, flickr innerhalb von wenigen Stunden mit einem warnenden Bildchen (s.o). Man darf gespannt sein, wann flickr darauf reagiert und ob es zu einem Massen-Exodus kommen wird.
Nebenbei wurde auch noch die Zahlung per Paypal für die Pro-Accounts abgeschafft. Wahrscheinlich, weil Yahoo sein bräsiges »Yahoo Wallet« fördern möchte. Großartig, vorne »wir, flickr, noch stets das knuddelige Start-Up mitten aus der Blogosphäre« spielen, hinten rum reinrassiges Geschäftsinteressen wahren inklusive voreligem Kotau vor Zensoren aus aller Welt. Das ist ein Lehrbeispiel, woraus wir alle unsere Konsequenzen ziehen sollten. Die Frage ist nur, wie diese aussehen…
Barcamps, Webmontage, (Un-)Konferenzen allenthalben, alles mit ähnlicher personeller Besetzung und zunehmender Beteiligung von Gästen, denen nicht in erster Linie die Sache selbst am Herzen liegt — der im deutschsprachigen Raum ein wenig ausufernde »Konferenzzirkus 2.0« sorgt bereits für erste öffentlich geäußerte Frustrationen. Es schien an der Zeit, einmal einen Blick auf das internationale Geschehen zu werfen. Da traf es sich gut, dass zu den Kalenden des Juni 2007 in Kopenhagen die »reboot9« statt fand. Unter dem Banner der kurzen, aber potenziell bedeutungsschwanger dräuenden Frage »Human?« trafen sich ca. 500 Menschen, die sich mit dem Leben im Netz beschäftigen.
Auch wenn das nun schon wieder über eine Woche her ist, möchte ich noch auf die beiden Tage des Diskutieren, Inspirieren und Philosophieren über die verschiedenen Aspekte des Menschseins in diesen digitalen »Zeiten 2.0« zurück blicken.
Was in Deutschland unter Innovation verstanden wird, zumindest in den etwas windigen Kreisen des kapitalkräftigen deutschen Internetunternehmertums, kann man sehr schnell optisch erfassen, wenn man sich diese beiden kleinen Bildchen anschaut. Das Original, Twitter:
Und die Fälschung namens »frazr«, natürlich ohne Link:
Da bleibt einem die Spucke weg, ob solcher Dreistigkeit. Irgendwelche kleinen Blogger werden angemacht, wenn sie irgendwo Designelemente für ihr Blog klauen. Und die Kopistenfraktion bedient sich schamlos und feiert sich dafür selbst in brechreizerregenden Pressemeldungen. Und es gibt auch noch genug Dumme, die sich bei der Kopie anmelden. Die Welt ist ungerecht und unverständlich.
Auf dem Weg nach Berlin zu re:publica. Schon im Speisewagen beginnt der »Irrsinn 2.0«. Zufällig sitzt Herr OliverG im selben Zug und fotografiert das »Making Of« dieses meines Meisterwerks der zeitgenössischen Speisefotografie. Nichts ist mehr unbeobachtet in diesen Zeiten.
»Was mir an der „deutschen Sicht“ auf Twitter mal wieder auffällt, ist unsere komplette Unfähigkeit zu spielen. Wir hören von Twitter, schlagen die Hände über dem Kopf zusammen ob des Verlustes unsrer Privatsphäre und fragen als nächstes, wie sich damit den bitte schön Geld verdienen lassen sollte.«
Was es heißt, wenn »man jetzt auch Web-2.0 macht«, kann man auf diesem kleinen Bildchen sehen:
Kreti und Pleti, insbesondere Kreti und Pleti aus den gläsernen Burgen der industriellen Medienproduktion, verunstalten in diesen Zeiten ihre Seiten mit einer LamerBar 2.0™ und halten sich damit für die Speerspitze germanischer Netz-Innovation. Letzter Innovator: Die gute alte »Zeit«, Verzeihung, die »Sie werden in 15 Sekunden weitergeleitet«-Zeit.
Finde ich gut. Innovativ. Total. Denn ich, also ich, der Websurfer, bin doof. Es ist mir nicht zuzutrauen, dass ich selbst daran denke, einen Artikel, der mich interessiert, in meiner deli-Sammlung abzulegen. Man muss mich mit der Nase drauf stoßen. Mich mit bunten Bildern antreiben. Mich anbetteln mit bunten Ikonen, man hört die Symbole wimmern in ihrer schmerzhaft jungfräulichen Ungeklicktheit:
»Och komm jetzt, Du Schluri aus dem Netz, wenn Du schon für umme meinen wahrhaft grandiosen Content konsumierst, dann digge mich! Deli mich! Leg mich bei Webnews an! Gib’ mir Tiernamen! Damit mehr Schluris kommen! Ja, Banner-Klick-Vieh-Schluris! Andere Schluris, die die bunten Symbole anklicken! Klick jetzt! Klick!KLICK!«
Die vage Grundidee kollektiven Bookmarksammelns, die einst das Original, del.icio.us inspirierte, das aus der Gesamtheit wohlüberlegt abgelegter Links der Benutzer eine Sammlung interessanter Dinge entsteht, ist mit den grassierenden Lamerbars dem Tode geweiht. In dem Moment, in dem man das Ablegen des Links dem bewussten überlegten Akt entzieht und als simple Bildchen-Klickerei verfügbar macht, zerstört man sie, die vage Idee. Also: Nieder mit der LamerBar 2.0™!
In Sachen Internet, das ist natürlich eine Binsenweisheit, passiert alles, was in den USA zu beobachten ist, mit einer gewissen Verzögerung auch bei uns. Daher ist es interessant zu beobachten, wie mit Time der Archetyp aller Nachrichtenmagazine den »Zeitenwechsel« einleitet. In den Redaktionen der Print-Ausgaben der diversen Nachrichtenmagazine werden fast 300 Leute entlassen. »Online First« ist nun das Motto, SpOn schrieb:
»Online-Publikationen erlebten in den letzten Jahren, während die Print-Presse die schlimmste Werbekrise ihrer Geschichte durchlitt, zwei- bis dreistellige Zuwachsraten. So rundet sich das Bild: Multi-Plattform-Publishing heißt, dass weniger Journalisten mehr Menschen auf mehr Kanälen erreichen – und primär online. Von den Zeiten, in denen man ein Druckprodukt als aktuell verkaufen konnte, hat ›Time‹ jedoch begonnen, sich zu verabschieden. Der Tag gehört der Website, das Wochenende dem Magazin.«
Zeitungen, wie wir sie kennen, werden vergehen. Schaut man sich eine beliebige Standard-Klein-Groß-Mittelstadtzeitung an, so findet man dort seitenweise die Agenturmeldungen, die man schon tags zuvor im Web gelesen hat. Warum sollte man das kaufen und lesen? Die große Chance, nämlich statt Agenturmeldungen originäre Berichte und Meinungen eigener Korrespondenten und Redakteure zu drucken, die über die reine trockene Agenturnachricht hinausgehen, nehmen die wenigsten wahr. Zu teuer.
Den Willen, das Web nicht nur als Werkzeug für Einsparungen zu begreifen.
Randbemerkung: Wir benötigen dringenst vernünftige Recherchetools. Es ist völlig unmöglich, mit vertretbarem zeitlichen Aufwand in einem Werkzeug wie Technorati Kommentare und O-Töne zu einer Sache zu bekommen, die einen Namen wie »Time« hat. Nichts gegen die Tagebücher auf MySpace, aber wenn man nach »Time« recherchiert und erst einmal durch stapelweise »time to brush my teeth« waten muss, dann wird das nichts mit der »Publishing-Revolution«. Wir brauchen also Werkzeuge, die nach Tagebüchern und nach an die Öffentlichkeit gerichteten Publikationen einzelner oder mehrerer Individuen (»Weblogs« ;-)) unterscheiden und die Inhalte zugänglich machen.
Es gibt so Tage. Du sitzt vor dem Rechner, alles was Du hast, ist so alt und gewöhnlich, und Du denkst: »Boah, habe ich jetzt mal Lust, mich bei einem richtigen schönen neuen Web-2.0-Brüller-Dienst anzumelden.«
Einst, 2004, habe ich mich bei Flickr und deli angemeldet und bin mehr als zufrieden. Das funktioniert, auch über die Jahre, und ist einfach gelungen und gut.
Aber das ist bald drei Jahre her, es muss ja auch mal was Neues und Tolles geben. Das zu finden kann ja kein großes Problem sein, denkt man, die Blogs sind voll von Meldungen, wie toll »MeeToor« oder »Geklontes Angebotr« sind.
Aber schon nach kurzer Zeit stellt sich ein Gefühl der Ernüchterung ob des Zustandes 2.0 in den Weiten des Webs ein. Wohin man schaut, ganz tolle Klons von deli, flickr oder YouTube. Und dann klingelt es in der Mailbox. Der 37. deli-Klon aus deutschen Landen fordert mich auf, mir eine LamerBar 2.0™ (siehe Abb. oben) zuzulegen und ihren Klon selbstverständlich zu berücksichtigen. Meine verehrten gegelten Freunde, eher ziehe ich los und lasse mir in einer Piercing-Stube einen Ring durch die Nase ziehen…
Also, die Anforderung für die nächste 2.0-Anmeldung wird spezifiziert: Keinen tumben Klon. Ich will was Neues! Es muss doch in fast 2.5 Jahren Web 2.0 etwas Neues geben.
Mal weiter gucken. Oh, was haben wir denn da beim Herrn Kottke?»I do the right thing«, eine Kopie von digg mit ethischer Komponente. Bei jedem Link soll ich bewerten, in welcher Hinsicht der Link die Menschheit weiter bringt und die Welt verändert. Nicht schlecht, das ist endlich mal was Neues. Aber der Anspruch, jegliches Ding in den weiten des Webs müsse eine inhärente Weltverbesserungskomponente besitzen, erscheint mir bei näherem Nachdenken doch etwas arg anspruchsvoll.
Also geht die Suche weiter. Und was finden wir da:
Twitter. Wie wir auf dem Bildchen oben (CC von david roessler auf flickr) unschwer erkennen können, sind alle Wichtigen dabei. Das muss einfach etwas sein, sonst wären nicht alle Heroen der Web-Welt da drin. Etwas Neues! Also gleich mal angemeldet. Und ein wunderhübsches Gadget für den Mac gibt es auch dafür. Hurra, endlich mal ein neuer Dienst 2.0!
Nun bin ich also drin. In Twitter. Wieso heisst das eigentlich nicht Twittr? Und wozu ist das eigentlich gut? Sagt es mir, ich kann es nicht erkennen.
Okay, ich gebe auf. Oder Du, verehrte Leserin, verehrter Leser, sagst mir nun, was der nächster Brüllr 2.0 ist. Wo soll ich mich anmelden? Aber: Keine Klons, und keine (das ist wohl eine Spezialität in Deutschland) Startups mit dem Geschäftsmodell »Ihr macht gratis die Arbeit, wir nehmen die Kohle, und nennen das dann User-generated-Content und einen Akt der publizistischen Partizipation«. Und?