Artikel zum Thema »stasi2.0«

100.000! 72 Stunden Countdown für Zensursula-E-Petition

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netzpolitik.org schreibt:

»Der aktuelle Stand der ePetition “Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten” sind 93248 Mitzeichner. Nachdem die erforderlichen 50.000 Mitzeichner zur Anhörung vor dem Petitionsausschuss in der Rekordzeit von unter vier Tagen geschafft worden sind, ist die nächste magische Zahl die 100.000er Marke.«

Also: Wer noch nicht die Petition gegen das Netzzensurgesetz der Bundesgebärministerin gezeichnet hat: Auf geht’s!

Und nein, Ihr braucht nicht mit einer schwarzen Limousine vor der Haustüre rechnen, wenn Ihr Euch auf dem Petitionsserver registriert, so weit sind wir (noch) nicht.

[Banner von jabka.de, Danke]

[Update 25.5.09 17:30] Und wer sich erst noch informieren muss, findet in der material- und kenntnisreichen kommentierten Linkliste von Netzpolitik.org eine Menge Stoff zum Lesen, Hören und Gucken.

Das kleine Überwachungsstaat-Quiz: Wer hats gesagt?

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»Es gibt jedoch gute Gründe, Internetsperren gegen Kinderpornographie zu installieren: Kinderpornographie fügt den betroffenen Kindern schwerste Verletzungen zu und traumatisiert sie oftmals für ihr ganzes Leben. Das dürfen wir nicht zulassen. Die Sperrungen haben eine Signalwirkung – für die Gesellschaft und für die Täter. Das Internet kann und darf kein rechtsfreier Raum sein.«

Auflösung: Nein, nicht die Zensursula. Es war die Grünen-Poltikerin Ekin Deligöz im Interview mit Cicero. Das zeigt, wie unübersichtlich die Fronten im gegenwärtigen »Kampf der Kulturen« verlaufen. Gerade von den Grünen, die sich mit ihrem eigenem Social-Network, eingeladenen Bloggern und einer Facebook- und Twitter-Offensive ihrer Amts- und Mandatsträger für die netzaffine Partei schlechthin halten, hätte man mehr erwarten können als das lächerliche und auch durch jahrelange Wiederholung nicht stichhaltiger werdende »Das Internet kann und darf kein rechtsfreier Raum sein«…

Übrigens lässt sich in all dem Grünen Netzkram keine klare Stellungnahme gegen die Netzsperrungen ausmachen, auch die Pressemitteilung des Bundesvorstands redet um eine klare Stellungnahme mit Wahlkampfgetöse herum. Schade, Grüne, so seid Ihr leider nicht mehr wählbar.

Freiheit statt Angst 2008

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»Menschen, die sich ständig beobachtet und überwacht fühlen, können sich nicht unbefangen und mutig für ihre Rechte und eine gerechte Gesellschaft einsetzen. Massenüberwachung setzt damit die Basis einer demokratischen und offenen Gesellschaft aufs Spiel. Massenüberwachung gefährdet auch die Arbeit und das Engagement von Organisationen der Zivilgesellschaft.«

»Freiheit statt Angst 2008« – Berlin, 11. Oktober 2008

»Kom daarom naar Den Haag, om te protesteren of om je te laten overtuigen dat alle privacy schendende maatregelen van de laatste jaren niets aan onze veiligheid bijdragen, maar alleen afbreuk doen aan de moeizaam door onze voorouders verworven burgerrechten, en zorgen voor het langzaam verdwijnen van onze vrijheid!«

VOLKSOPSTAND »Freedom Not Fear« 2008

Mehr: »Freedom Not Fear 2008«

Der arme Tim Berners-Lee ist neben der Spur

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Der WWW-Erfinder Tim Berners-Lee hat natürlich seine ewig leuchtenden Verdienste.

Aber nun ist er komplett neben die Spur geraten: So fordert Berners-Lee doch tatsächlich eine Art »Web-Behörde«, die entscheiden soll, ob auf einer Website die Wahrheit steht oder nicht. Das mit der »Wahrheit« ist ja so eine Sache, schon Thomas von Aquin befand zwar, dass Wahrheit die Übereinstimmung von Sache und Verstand sei, aber darauf kann man wohl kaum ein »objektives« Bewertungssystem für Websites aufbauen. Abgesehen davon wäre das eine Steilvorlage für die Schäubles dieser Welt.

Kurz und gut, eine ziemliche Schnapsidee. Findet auch The Inquisitr:

»He [Berners-Lee] may have created the world wide web, and for that he deserves a lifetime of praise, but the idea that his creation be rated based on rankings around truths needs to die quickly before repressive governments, and those that nearly are, use his words as an excuse to censor and filter the internet further.«

(Via Johannes’ Friendfeed)

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Meine Lieblingsbank im Hardtwald

Den 100. Artikel in uninformation.org widme ich hiermit feierlich meiner Lieblingsbank im Karlsruher Hardtwald, die ein unbekannter Künstler mit dem Antlitz meines uneingeschränkten Lieblingsministers verschönt hat…

Übrigens: Im ersten Blog, damals, Anno 2002, dauerte es nicht einmal 2 Monate, bis die 100 Artikel geschrieben waren. Hier waren es nun 16 Monate. Allerdings: Früher hatte man ein Weblog und sonst nichts. Es gab ja nichts, mit Kartoffelstempeln haben wir Botschaften in 140 Zeichen an Hauswände getwittert.

Heute produziert man in den vielfältigen Wirren des so genannten »Web 2.0« Inhalte an vielen vielen digitalen Orten, die damals ein eigener Blogeintrag gewesen wären. Und weil man eben nun, Anno 2008, sich so dezentral fühlt, versucht man, diese Dezentralität der eigenen Online-Persona mit Eigenbauten oder einem weiteren dezentralen Dienst wie Friendfeed wieder zu zentralisieren.

Ziemlich komisch eigentlich, ist es nicht?

Ein weiteres Überwachungs-Gesetz vom Verfassungsgericht korrigiert

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Das Bundesverfassungsgericht hat den Eilantrag gegen die Vorratsdatenspeicherung teilweise statt gegeben. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung begrüßt das Urteil und fordert bei der Gelegenhet Justizministerin Zypries zum Rücktritt auf.

Mir sind die Beurteilungen aber deutlich zu positiv. Das Verfassungsgericht unterbindet nicht die Erhebung der Daten, sondern nur den Zugriff darauf. Nun zeigt aber die Erfahrung der jüngsten Zeit, insbesondere die Sache »Steuerflüchtlinge in Liechtenstein«, dass die »Sicherheitsorgane« nicht vor illegalen Aktionen zurück schrecken, wenn sie an Daten heran wollen.

Davon abgesehen ist das Urteil ein weiterer juristischer Schlag ins Gesicht für die Gesetzgeber dieser Republik, deren gesetzgeberisches Treiben vom Bundesverfassungsgericht in Serie entweder ganz gestoppt oder erheblich korrigiert wird. Bei normalen Menschen wäre das ein Grund, mal in sich zu gehen und das eigene Handeln zu überdenken. Die Regenten dieser Republik sind aber gegen jegliche Anwandlungen von Selbstkritik gefeit, da kann man sich sicher sein…

Der 24C3-Rundumschlag

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24C3: Simulation

Nun ist er schon wieder Geschichte, der 24C3. Nach vier Tagen und Nächten im bunten Hackertreiben mussten sich alle Beteiligten um den Jahreswechsel herum erst einmal ausruhen. Es gibt kaum eine intensivere Veranstaltung dieser Art, man stürzt sich – »Volldampf voraus« – hinein ins Treiben und denkt nach vier Tagen: »Was, schon wieder vorbei?« 4.013 Besucherinnen und Besucher schauten sich 100 Vorträge und zahllose Workshops und Projekte an oder blieben einfach vier Tage im Keller sitzen und hackten.
Zum Abschluss möchte ich hier das Congress-Geschehen beleuchten und zu jedem Themenkomplex Empfehlungen für das nachträgliche Anschauen der Vorträge geben. Denn erfreulicherweise sind dieses Jahr die Videoaufzeichnungen bereits kurz nach dem Congress verfügbar, einen kräftigen Applaus für das Dokumentations-Team (vgl. dazu NetzpolitikTV 028).

Weiter lesen…

SuperBertram und das panoptische Prinzip

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SuperBertram

Das, verehrte Zielgruppe, ist SuperBertram. SuperBertram steht in der Gegend herum, beobachtet mit seinen wachsamen Äuglein alles, was sich vor ihm aufbaut und, ganz Kind seiner Zeit, flickert es umgehend. Das ist aber noch nicht alles, das Congress-Wiki und SuperBertrams Website wissen mehr.

Der freundlich schauende SuperBertram war auch Darsteller eines der Filme, die in der Nacht im Rahmen des Wettbewerbs »Das Panoptische Prinzip« gezeigt wurden. In Kurzfilmen sollte der aktuelle Zeitgeist der »Überwachung« thematisiert werden, und es waren einige richtig gute Filme dabei. Wenn ich es richtig verstanden habe, werden diese irgendwann Anfang 2008 auch im Netz anschaubar sein.

24C3: Gutes aus Europa - Die Fluggastdatenüberwachung

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24C3: Der Bundestrojaner

Der Talk Data Retention and PNR. »Brussels Workshop«, wie immer unter den wachsamen Augen des berühmten Bundestrojaners, war der Vortrag von Ricardo Cristof Remmert-Fontes und Erik Josefsson. Ersterer berichtete zwischendurch kurz von der Arbeit des AK Vorrat.

Interessanter war, was Erik Josefsson zu berichten hatte. Erik arbeitet für die EFF in der Höhle des technokratischen Löwen, der EU-Bürokratie in Brüssel.
Wir alle kennen mittlerweile das aktuelle »Handlungsschema des Politischen«: In den nur sehr rudimentär demokratisch legitimierten Brüsseler EU-Strukturen wird ein Beschluss gefasst, ohne dass das jemand überhaupt mitbekommt. Dessen Umsetzung in nationales Recht erregt anschließend die Gemüter, und die deutschen Volksvertreter waschen ihre Hände in Unschuld und lamentieren: »Ja, alles problematisch, aber wir müssen die Richtlinie aus Brüssel umsetzen, kann man nix machen…«

Erik hat in Brüssel die inoffizielle Maxime der Politikgestaltung kennen gelernt:

»First we decide, then we vote, and finally we discuss.«

So kam die Vorratsdatenspeicherung zu stande, und auf diese Art und Weise wird gerade mit der Richtline zur Fluggastdatenspeicherung nach amerikanischem Vorbild (Fluggastdaten = »Personal Name Record«, PNR) die nächste Schurkerei auf den Weg gebracht. Wie bei der Vorratsdatenspeicherung. Erst entscheiden, dann in den Kammern der EU-Kommission mit den Regierungen abstimmen und ganz am Ende mit dem EU-Parlament und der Öffentlichkeit drüber reden. So funktioniert Demokratie, oder? ;-)

Einer ersten Information zum Thema dienen die Beiträge von Telepolis, den Heise-News und nochmal den Heise-News.

Es gibt weltweit vier Buchungssystem, die auf guten alten Mainframes arbeiten. Jedes EU-Land richtet nun eine »Passenger Information Unit« (PIU) ein. Diese enthält root-Zugriff auf alle Daten der vier Buchungssysteme. Und die angefallenen Daten werden 13 Jahre aufbewahrt. Warum genau 13 ist nicht zu ermitteln.
Auch die neugierigen amerikanischen »Sicherheitsbehörden« bekommen Zugriff auf diese Daten. Darum, verehrte Zielgruppe, wann immer Du ein Flugzeug benutzt, und sei es nur von Hamburg nach Berlin, landen Deine Daten irgendwann in den Fängen des großen neugierigen amerikanischen Datenmonsters. Lehrreich in diesem Zusammenhang ist der Blogeintrag des »Weltreiseexperten« Edward Hasbrouck.

Abgesehen von den ökonomischen und technischen Problemen (die alten Mainframe-Systeme müssen teuer aufgerüstet werden) haben wir einen weiteren großen Datenspeicher, ein weiteres Stück auf dem Weg zum gläsernen Bürger. Das EU-Parlament bildet sich, so Erik, »gerade eine Meinung zu dem Thema«. Was aber nicht weiter wichtig ist, da sie sowieso nichts vermeiden können. Das Fazit zog Erik mit einem Zitat des berühmten franz. Kardinals Richelieu:

»Give me six lines written by the most honorable of men, and I will find an excuse in them to hang him.«

Die Präsentation findet man als PDF auf der Talk-Seite. Ein weiteres sehr unerfreuliches Thema in der an unerfreulichen Themen nicht armen Zeit. Wir brauchen Aktionen, als erstes solltet Ihr den Menschen zum Thema anfragen, den Ihr ins EU-Parlament gewählt habt.

Congress-Leben

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24C3: bcc und Rakete

So ein Congress ist schon hart. Lange Tage, kurze Nächte, stets ist man auf der Jagd nach Konnektivität und Elektrizität. Man tut gut daran, erst nach Einbruch der Dunkelheit den Ort des Geschehens zu verlassen, denn der Schock des Tageslichts nach dem Halbdunkel im Kreise der versonnen auf ihre Notebooks schauenden und hackenden Nerds wäre zu groß. Übrigens erweitert sich von Jahr zu Jahr das Spektrum. Man sieht tatsächlich Notebooks von deren Schirmen Windows häßlich entgegen grinst. Und dessen Benutzer nach »Linux« googlen, ein guter Anfang!
Als vom inneren Drang des Bloggens besessenes Individuum hat man ein besonderes Problem: Kaum hat man etwas notiert und verarbeitet und würde was drüber bloggen wollen, steht schon die nächste Veranstaltung vor der Tür. Und wenn man gar die Stunden verquatscht, kommt man zu gar nix mehr…

24C3: Das Auge der Datenkrake

Die beiden Vortragshöhepunkte des ersten Tages konnten unterschiedlicher nicht sein.

Es gab den hier schon vor ein paar Tagen angekündigten Beitrag von Anne Roth über das Leben unter Überwachung. Anne schilderte in ihrem beeindruckenden Vortrag Begebenheiten, die man so eigentlich nur aus Filmen wie »Das Leben der anderen« kennt. Die »Anekdoten« kann man in ihrem mittlerweile ja weidlich bekannten Blog nachlesen. Das Thema kommt herunter von seiner sachlichen Abstraktionsebene, wenn vorne jemand steht, der sich mit dem, was die politische Klasse »Sicherheit« nennt, konfrontiert wird. In den 80ern, in den Zeiten meiner politischen Sozialisation, war die Forderung nach Abschaffung des 129a und des Verfassungsschutzes mal ziemlich populär. Hier wäre eine neue Retro-Bewegung angebracht. »Standing ovations« für Anne nach ihrem Vortrag, wo gleich ihr Mobiltelefon eine der rätselhaften »Fehlfunktionen« hatte.

Kontrastprogramm gab es zu später Stunde, Johannes Grenzfurthner von monochrom referierte, besser gesagt, »performte« einen Vortrag über das Erscheinen des Computers in der populären Musik seit den 40er Jahren. Absonderliche Musikbeispiele wurden ausgegraben, der Höhe- und Schlusspunkt war eine krude Disco-Nummer aus Knüttelversen von einer Damen-Kapelle namens »Eurocats«. Christian hat dankenswerterweise ein paar Bilder gemacht. Das Publikum klatschte wild im Rythmus mit, wie sonst nur ihre Großeltern bei Florian Silbereisen.

Es ist genau diese thematische Bandbreite an Vorträgen, die den Congress jedes Jahr auf’s Neue so einzigartig macht.

Wer schreibt noch über den Congress:

Theoretisch sollte man die Vorträge auch live per Stream verfolgen können, ich weiß aber nicht wie gut das »da draußen« wirklich funktioniert.

Wir sind alle Terroristen!

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Da die Bundesliga in der Winterpause ist, dräut ein leerer Samstag. Wie wäre es mit ein wenig Gruseln an der deutschen Realität als Ersatz-»Unterhaltung«?

Bei Chaos TV gibt einen Mitschnitt der Veranstaltung »Wir sind alle Terroristen« vom 16.12.07. »Über ein Leben mit der Überwachung und deren Folgen für Politik und Alltag diskutieren Beschuldigte aus aktuellen §129a-Verfahren.«

Passend dazu: Chaos Radio Express 059 mit dem Titel »Überwachung«. Sandro Gaycken, einer der beiden Herausgeber des Buchs »1984.exe«, »analysiert Problematik von Überwachung. Er stellt fest: ›Überwachung produziert Kontrolle, Kontrolle ist das Gegenteil von Freiheit und Vertrauen, Vertrauen ist die Grundlage von Rechtstaat und Demokratie‹ und beklagt den Verlust der Privatsphäre, der die aktive Ausübung von Freiheit behindert sowie das hohe Mißbrauchspotential von Überwachungstechnik« (Quelle).

Und wiederum passend dazu: Auf dem 24C3 in Berlin gibt es am kommenden Donnerstag einen Vortrag einer Betroffenen. Die Lebensgefährtin des unter an Kafkas »Der Process« erinnernden Umständen in Terrorismusverdacht geratenen Stadtsoziologen berichtet über das Leben unter Kontrolle der »Sicherheitsorgane«.

Aber Du bist ja »anständig«, oder? Dann hast Du sicher nichts zu befürchten in der schönen neuen deutschen Überwachungsgesellschaft…

Online-Durchsuchungen. Schutz durch und vor dem Staat unter Wahrung der Balance zwischen Sicherheit und Freiheit?

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Unter diesem Titel veranstaltete das Zentrum für angewandte Rechtswissenschaft der Uni Karlsruhe eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zum Thema »Online-Durchsuchungen«.

Gerhart Baum, einst Bundesinnenminister und heute einer der Beschwerdeführer gegen die Online-Durchsuchung in NRW, erhielt als Erster das Wort und beklagte zunächst einmal die in der deutschen Politik grassierende Unsitte, genuin politische Entscheidungen der Legislative an das Bundesverfassungsgericht »auszulagern«. In dieses Klagelied kann man getrost einstimmen, es sei nur an die groteske Aktion einiger SPD-Abgeordneten bei der Abstimmung zur Vorratsdatenspeicherung erinnert. Baum lehnt die Online-Durchsuchung als nicht zu rechtfertigenden Eingriff in den geschützten Kernbereich privater Lebensführung und in die Grundrechte (jene in den Artikeln 1,2 und 13 des GG) ab, und fragt: »Ist der Freiheitsverlust zu rechtfertigen durch den Sicherheitsgewinn?« Da die Online-Durchsuchung in Baums Augen ein untaugliches Mittel zur Erlangung von mehr Sicherheit ist, wäre sie auch abzulehnen, wenn man alle verfassungsrechtlichen Bedenken beiseite schieben würde.

Auf Baum antwortete Jörg Ziercke, Präsident des BKA und in der öffentlichen Debatte rund um neue Sicherheitsgesetze als Befürworter (nicht nur) der Online-Durchsuchung bekannt. Es gelte, die »Verhältnismäßigkeit« neu zu definieren. Nach Zierckes Angaben wurden 7 Terroranschläge verhindert und laufen derzeit 232 Ermittlungsverfahren mit so genanntem »islamistisch-terroristischem Hintergrund«. Da (Zitat) »technische Innovationssprünge die Natur des Verbrechens im 21. Jahrhundert« prägen würden, müsse Waffengleichheit zwischen Tätern und Ermittlern geschaffen werden. Durch verschlüsselte und anonymisierte elektronische Kommunikation gäbe es »überwachungsfreie Räume«. Schon jetzt würden Ermittlungsmassnahmen wie die Beschlagnahmung von Rechnern in den »Kernbereich« eingreifen. Darum könne man auch per Online-Durchsuchung eingreifen, denn: »In einem Rechtsstaat darf es für Schwerstkriminelle keine verfolgungsfreien Räume geben.«

Wolfgang von Pommer Esche, Referatsleiter beim Bundesdatenschutzbeauftragten, bekräftigte die Ablehnung der Online-Durchsuchung durch die Datenschutzbeauftragten. Heutzutage habe jeder Bürger einen PC, dessen Daten die privatesten Dinge enthielten. von Pommer Esche bezweifelte, dass es eine Bedrohung gäbe, die den heimlichen Zugriff von Behörden darauf rechtfertigen würde. Außerdem haben einmal eingeführte Verfahren die Tendenz, sich vom Ausnahmeverfahren bei großer Bedrohung zu einem Routinewerkzeug der Strafprozessordnung zu wandeln. Und ob die Onlinedurchsuchung überhaupt das geeignete Mittel sei, bezweifelte von Pommer Esche.

Jürgen-Peter Graf, Richter am Bundesgerichtshof, überraschte mit einem höchst merkwürdigen Beitrag. So unterschied er zwischen Online-Durchsuchung und Online-Überwachung. Da erstere nur eine »Momentaufnahme« sei, unterscheide sie sich, abgesehen davon, dass sie heimlich durchgeführt würde, nicht von der »normalen« Beschlagnahmung eines Rechners in der Wohnung eines Verdächtigen. Im Gegenteil, die Online-Durchsuchung könne den Verdächtigen ja auch entlasten und ihm damit die Unbillen einer aufmarschierenden Polizei zur Beschlagnahmung seines Rechners ersparen. Und da eine Online-Durchsuchung so aufwändig ist, würde es eh nicht viele geben…

Hansjörg Geiger, ehemaliger Verfassungsschutzpräsident und Professor, schlug vor, einen »Bürgeranwalt« bei den Behörden zu installieren. Dieser solle automatisch hinzugezogen werden, wenn eine heimliche Online-Durchsuchung angeordnet wird, denn im Gegensatz zu einer »normalen« Massnahme könne der Beschuldigte in diesem Fall keinen Anwalt hinzuziehen.

Den Abschluss der Runde bildete Dirk Fox von Secorvo, der die beliebte Rolle des »technischen Experten« einnehmen durfte. Fox sieht die Notwendigkeit zu neuen Methoden, welche durch die technischen Möglichkeiten notwendig würden. Diese wären aber nur als Online-Überwachung sinnvoll, nicht als Online-Durchsuchung. Die praktische Ausführung wird mit hohen Kosten verbunden sein, eine präzise Anwendung sei technisch unmöglich, sprich: Es werden Unschuldige betroffen sein. Und die Wirkung der Online-Durchsuchung sei stark begrenzt. Der Beschuldigte brauche ja schließlich nur von einer Live-CD zu booten, um die Anwendung von im System versteckten Überwachungsprogrammen aufzuheben.

Es folgte die Diskussion, die sich vorwiegend zwischen Baum und Ziercke abspielte. Baum sah eine Gefahr in der Weiterentwicklung der Technik. Auch wenn die Online-Durchsuchung heute noch technisch unvollkommen sei, so entwickle sie sich weiter und würde einen vielfach behaupteten »Grundrechtsschutz durch technische Schwierigkeiten« aushebeln. Auch sieht Baum ein Kippen der zustimmenden Meinung in der Bevölkerung, viele sähen mehr und mehr ein »großes Gemälde der Überwachungsaktivitäten« entstehen und fühlten sich unfrei. Ziercke antwortete mit einem wahren Horrorgemälde der terrorischen Bedrohung, der wir angeblich ausgesetzt sei. Man müsse diese Aktivitäten im Vorfeld verhindern können, dazu sei die Online-Durchsuchung unabdingbar. So geht es hin und her, Fox darf noch einmal als »technischer Experte« auf technische Schwierigkeiten hinweisen. Als das Publikum hinzugezogen wird, zeichnet Ziercke ein düsteres Bild der Gefährdung durch das böse böse Internet. Kinderporno, Gewalt, Bot-Netze, Terroristen – das Internet ist voller böser Dinge, gegen die der Staat sich wehren müsse.

Der Diskussionsleiter, Professor Dreier von der Uni Karlsruhe, versuchte abschließend ein Fazit:

  • Die Strafverfolgungsbehörden sehen sich technologisch benachteiligt.
  • Die Verfassung verbietet eine Online-Durchsuchung nicht generell, aber man muss definieren, wie das Individuum geschützt werden kann.
  • Die Online-Durchsuchung kann nur die »ultima ratio« sein.
  • Es müssen neue Mechanismen für die neuen Methoden entwickelt werden, wie z.B. den »Bürgeranwalt«. Und die neuen Gesetze müssen evaluiert werden.

Mein Fazit: Die Argumente der Gegner, Gerhart Baum und des Technikers Dirk Fox, kamen klar und präzise rüber. BKA-Chef Jörg Ziercke, als Befürworter, griff, wann immer er argumentativ in die Ecke gedrängt wurde, zu nicht nachprüfbaren apokalyptischen Bedrohungsszenarien. Überzeugen konnte das nicht. Und seine (nicht nur bei dieser Veranstaltung) undifferenzierten Verteufelungen des Internets lassen Zweifel daran aufkommen, ob Ziercke wirklich genau weiß, worüber er eigentlich redet. Man kann nur hoffen, dass dieses obskure Gebilde Online-Durchsuchung durch das Verfassungsgericht-Urteil im kommenden Jahr zunächst einmal von der Agenda gekegelt wird.

Metternich 2.0

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Auch Österreich befindet sich auf den Weg in den präventiven Überwachungsstaat. In der Alpenrepublik, ähnlich wie Deutschland von einer großen Koalition der Wahlverlierer regiert, wurde gestern staatsstreichartig in wenigen Stunden ein sogenanntes »Sicherheitspolizeigesetz« durch das von den Großkoalitionären beherrschte Parlament gepeitscht. Nun dürfen in Österreich die »Sicherheitsorgane« auf IP-Adressen und Verbindungsdaten auch ohne richterliche Prüfung zugreifen, wenn »Gefahr im Verzug« ist. Der Standard dazu:

»Es verfestigt sich der Eindruck, SPÖ und ÖVP richten es sich mit ihrer Mehrheit nach Belieben. Es werden ohne Debatten und Expertenanhörung Grundfesten des Rechtsstaates verrückt. Das ist nicht hinzunehmen.«

Schäubles Kollege, der österreichische Innenminister Günther Platter wurde daher von Frau Godany in der noch jungen Stasi 2.0-Tradition alpenrepublikmäßig lokalisiert zu »Metternich 2.0« erklärt, nach jenem Fürst von Metternich, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im kaiserlichem Österreich einen der ersten »modernen« Polizeistaaten einrichtete.