Der Tag ist nicht mehr fern, wir sind auf dem besten Weg dahin, da transportiert das so genannte »Social Web« nur noch eine »Message«:
»Kauf, Leser. Hörst Du nicht? Kauf, Leser, Du Sau, kauf endlich!«
Ich negiere nicht die individuelle Notwendigkeit eines Netz-Publizisten, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, wenn aber der Feed eines bekannten deutschen Mac-Weblogs nur noch aus Überschrift, Lamer-Bar-Links und fettem Werbe-Banner besteht, dann ist einfach ein Punkt erreicht, wo ich mir sage:
Nö Du, Blogger, Publisher, was auch immer, ich abonniere das nicht mehr.
Das ist natürlich zunächst einmal nur mein höchstpersönliches Problem. Es ist aber meine Überzeugung, dass jemand, der für seine treuen Leser, und das sind ja in der Regel die, die einen Feed abonnieren, keinen Inhalt, sondern nur noch ein »Kauf, Du Sau« übrig hat, auf die Dauer diese treuen Leser verlieren wird.
Okay, die Zeiten von »eine Frau, ein Blog« oder »ein Mann, eine URL« sind vorbei. Heutzutage sind wir im Netz verteilt, Twittern hier, legen Links dort ab, usw. Und kaum sind wir verteilt, wollen wir uns wieder vereinen. Dazu baut/installiert man sich einen Aggregator, der dann alles, was man erst verteilt, wieder zusammen fasst. Auch dagegen ist ja nichts einzuwenden. Wir wollen überall dabei sein, für jede Mikroanforderung ein spezialisiertes Mikrotool haben, aber dann doch irgendwie wieder eine Einheit mit uns selbst bilden.
Was aber nicht geht, ist: Alle Links in deli werfen, diese dann per Skript twittern, das Getwittere und die Links dann wieder in Blogeinträge aggregieren, daraus dann automatische Blogeinträge erzeugen, die dann automatisch getwittert werden. Und dann natürlich per Skript zu identi.ca übertragen werden. Wir sind Mensch 2.0, alles was wir tun muss überall sein. Und alles zusammen wird dann noch einmal in einen Feed aggregiert. Von manchen Herrschaften lese ich Links und Tweets bis zu vier Mal. Bei aller Sympathie für die sich dahinter verbergenden Personen: Da werde ich bald einmal massiv unsubskribieren müssen.
Versetzt Euch beim Kreuz- und Queraggregieren mehr in »normale« Leser und »Follower«, statt zu versuchen, jeden nur theoretisch auftretenden Fall, wo einer etwas »Wichtiges« verpassen könnte, abzudecken. Danke! ;)
Ein verzichtbares Ärgernis: Wordpress-Weblogs, deren alte Einträge im Feedreader ständig als »aktualisiert« angezeigt werden, weil Herr oder Frau Blogger ein Plugin für »verwandte Artikel« oder »Stichworte« oder was auch immer (kenne mich mit diesen schlimmen WordPress-Frickolagen nicht so gut aus) im Artikeltext(!) verwendet, das dann logischerweise nach jedem neuen Eintrag alle möglichen alten Einträge aktualisiert.
Ich fordere hiermit zum massenhaften Unsubskribieren solcher Kandidaten auf!
Was es heißt, wenn »man jetzt auch Web-2.0 macht«, kann man auf diesem kleinen Bildchen sehen:
Kreti und Pleti, insbesondere Kreti und Pleti aus den gläsernen Burgen der industriellen Medienproduktion, verunstalten in diesen Zeiten ihre Seiten mit einer LamerBar 2.0™ und halten sich damit für die Speerspitze germanischer Netz-Innovation. Letzter Innovator: Die gute alte »Zeit«, Verzeihung, die »Sie werden in 15 Sekunden weitergeleitet«-Zeit.
Finde ich gut. Innovativ. Total. Denn ich, also ich, der Websurfer, bin doof. Es ist mir nicht zuzutrauen, dass ich selbst daran denke, einen Artikel, der mich interessiert, in meiner deli-Sammlung abzulegen. Man muss mich mit der Nase drauf stoßen. Mich mit bunten Bildern antreiben. Mich anbetteln mit bunten Ikonen, man hört die Symbole wimmern in ihrer schmerzhaft jungfräulichen Ungeklicktheit:
»Och komm jetzt, Du Schluri aus dem Netz, wenn Du schon für umme meinen wahrhaft grandiosen Content konsumierst, dann digge mich! Deli mich! Leg mich bei Webnews an! Gib’ mir Tiernamen! Damit mehr Schluris kommen! Ja, Banner-Klick-Vieh-Schluris! Andere Schluris, die die bunten Symbole anklicken! Klick jetzt! Klick!KLICK!«
Die vage Grundidee kollektiven Bookmarksammelns, die einst das Original, del.icio.us inspirierte, das aus der Gesamtheit wohlüberlegt abgelegter Links der Benutzer eine Sammlung interessanter Dinge entsteht, ist mit den grassierenden Lamerbars dem Tode geweiht. In dem Moment, in dem man das Ablegen des Links dem bewussten überlegten Akt entzieht und als simple Bildchen-Klickerei verfügbar macht, zerstört man sie, die vage Idee. Also: Nieder mit der LamerBar 2.0™!
Dieses Snap-Zeugs breitet sich aus wie einst die Vogelgrippe im Sommerloch. Überflüssig wie ein Kropf. Die Vorschau ist nicht mal näherungsweise »live«, denn fährt man beim Tim mit der Maus über den Link zum 23C3 (s.o.), so sieht man die Vorschau der Congress-Seite, die aber bereits seit Tagen im Koma liegt. Und wieder ein Spielzeug, das Daten bereits irgendwohin überträgt, bevor ich eine Chance habe, mir zu überlegen, ob ich das will. Tand! Ab zum Flohmarkt damit, bzw. in den Adblocker, einfach alles blocken was snap.com ist.
Übrigens: Netz-Tand wird eine neue Reihe, die regelmäßig die nervigen Aspekte des Lebens im Web anprangert. Das ist auch bitter nötig, selbst Blogs, die ich von ihrem Inhalt her schätze, haben sich die Seitenleisten mit Tand aus dem Spannungsfeld zwischen Spielzeug und der »Ökonomisierung aller Lebenswelten« zugekleistert, das man mit dem »Adblocken« kaum noch nach kommt. Her mit dem Pranger, lasst uns Geschäftsmodelle ruinieren, deren Modell auf ungefragte Teilnahme ahnungsloser Besucher basiert…