Artikel zum Thema »musik«

Ein Jahr ByteFM

radio musik bytefm

Heute vor einem Jahr wurde an dieser Stelle das neue Internetradio ByteFM begrüsst. Und just heute feiert es sein einjähriges Jubiläum. Da gratulieren wir natürlich.

ByteFM ist mein Lieblings-Radiosender geworden. Keine Werbung, keine Verkehrsdurchsagen, keine berufslustigen Dummschwätzer. Ich weiß es zu schätzen, dass da echte Menschen die Musik aussuchen, die sie spielen möchten, und nicht Algorithmen wie bei Last.FM nur die Musik vorschlagen, die ich sowieso schon kenne.

Oder wie Karin Ceballos Betancur in der FR schrieb:

»Dabei sah ich, dass es auch Geräte gibt, mit denen man sowohl fernsehen als auch Radio hören kann, sie kosten nur etwa doppelt so viel. Weil ich das aber 2009 gar nicht mehr tun möchte, jedenfalls nichts Öffentlich-rechtliches, brauche ich das teurere Gerät nicht, spare 60 Euro und kaufe davon zwei Flaschen Champagner, in dem ich meine Füße bade, wenn ich das nächste Mal byte.fm höre.«

Radio ist tot, und Radio lebt. Aber nur im Internet. Wer in diesen Zeiten richtiges Radio hören möchte, braucht kein Radio, sondern einen Computer. Komische Zeiten, oder?

Bild: Wikimedia Commons

[Nachtrag 18.1.] Im ByteFM-Blog kann man sich eine kleine Sammlung von Video-Beiträgen aus den untergehenden überkommenden Medien über ByteFM und seinen Macher Ruben Jonas Schnell anschauen.

»Basarpfeile« in iTunes 8 abschalten

itunes macosx osx

Seit es das iPhone gibt, zieht im Hause Apple zunehmend eine Basarmentalität ein. Ähnlich den Strandpromenaden mediterraner Urlaubsorte steht buchstäblich überall einer herum und möchte zum Kaufen im Store animieren.
Neuestes Husarenstück in dieser Richtung: Das brandneue iTunes 8 führt die »Shop-« aka »Basar-Pfeile« (siehe Bild) wieder ein, die man in den Vorversionen abschalten konnte. Nun aber nicht mehr, der Basar darf nicht aus den Augen geraten. Ein falscher Klick, und man landet im Store. Und überhaupt, was ist das für eine Mentalität, die einem in der täglichen Benutzung einer Software ständig »Kaufen, Kaufen, Kaufen, Kaufen, Kaufen« ins Gesicht schreit?

Um das los zu werden, hat man zwei Optionen:

(1) Man kann die Pfeile in Verweise auf die eigene Bibliothek umbiegen, dazu öffnet man das Terminal und tippt ein:

defaults write com.apple.iTunes invertStoreLinks -bool YES

Das habe ich bei einem Fast-Namensvetter gefunden.

(2) Man kann die Pfeile auch gleich ganz abschalten, gefunden bei macosxhints, dazu tippt man ins Terminal:

defaults write com.apple.iTunes show-store-arrow-links -bool FALSE

Wer sich in der putzigen neuen »Kachel-Ansicht« der »Genre-Ansicht« entledigen möchte, kann diesen »macosxhint« beherzigen.

Weg sind die Pfeile, und es kann wieder Musik gehört werden. iTunes an sich finde ich ausgezeichnet, es verwaltet seit Jahren zuverlässig meine digitalisierte Musik-Sammlung und entlastet mich von der Notwendigkeit, Hunderte von Alben in selbstgewählten Verzeichnisstrukturen händig zu verwalten, was nur Windows-Frickler toll finden. Wofür hat man denn einen Computer?

Auch am iTunes-Store ist nichts auszusetzen, sofern man sich für die DRM-freien Titel entscheidet. Aber diese Penetranz, mit der Apple in neuen Produkten an jeder Ecke dem Benutzer die Kaufmöglichkeit ins Gesicht schleudert, nervt.

ByteFM - ein neues Internet-Radio wie aus der guten alten Zeit?

radio bytefm musik

Pop-Musik im Radio ist in Deutschland eine traurige Veranstaltung. Es gibt Privatradios wie, exemplarisch hier in Karlsruhe, das gruselige »die Neue Welle« mit »dem besten Musikmix aus vier Jahrzehnten«, bei denen chartkompatibler Mainstreammüll die Strecken zwischen Gewinnspielen, Verkehrshinweisen und Werbung überbrücken soll. Die meisten popmusikorientierten Radios öffentlich-rechtlicher Herkunft gleichen sich dem langsam aber sicher an, SWR3 ähnelt Privatdudelfunkern nicht nur von der Website her. Der Mix aus dem immergleichen Chart-Kram, berufslustigen Moderatoren, Verkehrshinweisen, Werbung und Mini-Nachrichten ist auf die Dauer für jedes Musikhörer-Ohr mit nur ein wenig Anspruch eine Zumutung.

Der Ausweg für alle, deren Anspruch ans Radio sich mit »weitestgehend Maul halten und gute (und manchmal auch überraschende) Musik spielen« zusammen fassen lässt: Internet-Radio. So lausche ich während der Arbeit z.B. gerne den verschiedenen Kanälen von Soma FM oder den Amerikanern von KEXP (die übrigens auch einen hörenswerten Podcast haben).

Seit heute (11.1.2008), 12:00 Uhr, gibt es in Deutschland ein vielversprechendes neues Internetradio: ByteFM. Das vom Kopf hinter dem Projekt, Ruben Jonas Schnell, in einem Zeit-Interview vorgestellte Konzept sieht so aus (Zitat):

»Wir haben keine Rotation. Alle Sendungen werden nach musikalischen Gesichtspunkten gestaltet. Unser Programm beginnt täglich um 16 Uhr. Dann gibt es eine Stunde mit dem Tourkalender, da weisen wir auf deutschlandweite Konzerte hin und laden Bands ins Studio ein. Danach kommt Mixtape, eine Sendung, gemacht von Journalisten, Kneipen, Plattenläden oder Clubs. Danach beginnen die Autorensendungen, die am folgenden Tag bis 16 Uhr wiederholt werden.«

Klingt zu schön, um wahr zu sein. Radio, in dem »coole« Radio-DJs mit Geschmack »ihre« Musik vorstellen und Hörer auf Entdeckungsreise schicken. So etwas gab es früher auch im öffentlich-rechtlichen Radio. Vor der Einführung der computergesteuerten Chart-Rotation. Im Moment gibt es keine Werbung im Programm von ByteFM oder auf der Website. Sponsoring, wie der von Panasonic gesponsorte externe Player, sollen das notwendige Geld aufbringen, die Radio-DJs arbeiten derzeit ehrenamtlich.

Die ersten zweieinhalb Stunden von ByteFM waren schon sehr vielversprechend, da kann etwas Gutes entstehen. Darum: Viel Erfolg, ByteFM!

Music is the healing force of the universe

musik tocotronic interpol

Die sieben Alben, die Du 2007 gehört haben musst!

Music is the healing force of the universe

Schreit Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow zum Abschluss des Live-Sets und stürzt sich von der Bühne in die Menge. Nach all’ den mehrheitlich eher unerfreulichen Dingen in den letzten Beiträgen dieses kleinen Weblogs wird es mal Zeit für etwas »Schönes, Wahres, Gutes«:
Die besten Alben des Jahres 2007. Etwas spät für Weihnachtsgeschenke, gebe ich zu. Aber Montag kann man ja noch einkaufen…

2007 war im Prinzip ein schlechtes Jahr, denn es gab kein neues Album von Tomte. ;) Aber davon abgesehen war es ein gutes Jahr. Die Zeiten des Internets sind für uns, für die Musik mehr ist als nur der Füllstoff im Radio zwischen Gewinnspiel und Verkehrsdurchsage, sowieso paradiesische. Die Möglichkeit des »Probehörens« auf die eine oder andere Weise ;) bewahrt vor so manchem Fehleinkauf und führt zu so mancher Entdeckung einer musikalischen Perle.

Album des Jahres 2007: Tocotronic – Kapitulation

Da gibt es keine Debatte, iTunes-Ratings lügen nicht: Das textliche Gegenstück zur allgegenwärtigen »Du kannst alles schaffen, Tschakka«-Berieselung überzeugt. Textlich und musikalisch. Es sind die Zeilen aus Tocotronic-Songs, die hängen bleiben und den passenden Soundtrack für das Leben liefern. Denn wer lief noch nicht durch die Stadt und hatte ein »Ich weiß nicht, warum ich Euch so hasse, Fahrradfahrer dieser Stadt« (aus dem Klassiker »Freiburg«) auf den Lippen, während er beinahe von einem Kaufhausrad-Fahrer im bunten Aldi-Sportdress auf dem Gehweg über den Haufen gefahren wurde. Und auch »Kapitulation« hält zitierfähige Zeilen in Mengen bereit, ohne die musikalische Substanz zu vernachlässigen. Im Gegenteil, der Tocos singender Gitarrenklang ist unwiderstehlich.

Um mal meinen Lieblings-TV-Literaturkritiker zu zitieren: Vertrauen Sie mir, ich weiß, was ich tue, kaufen Sie »Kapitulation« von Tocotronic. »Verschwör’ Dich gegen Dich, und Deine Wunden schließen sich.« So einfach ist das.

Zur Einstimmung:

Auf den Plätzen

Und nun vergessen wir alles das, was wir in den Boulevard-Rubriken der Nachrichtensites über den »unzureichend durchbluteten Rauschrocker« (Reic Pfeil) Pete Doherty gelesen haben. Mit seiner Band Babyshambles hat Pete ein fantastisches zweites Album »Shotter’s Nation« vorgelegt. Man fragt sich, wie er zwischen seinen berichteten Exzessen überhaupt die Zeit gefunden hat. »And what a nice day for a murder. You call yourself a killer but the only thing that you’re killing is your time.« Das wird es sein. Ein Album, das beweist, dass Pete der kreative Part im genialen Libertines-Duo Pete Doherty/Carl Barat war. »He is stronger than the walls that you tried to build around him.« Die durch und durch positive Überraschung des Jahres. Babyshambles würde ich gerne auch einmal live sehen. Wenn da nicht diese latente Unsicherheit wäre, ob er auch auftaucht…

Drei Jahre musste man warten, dann war es 2007 soweit: Mit »Our Love To Admire« gab es endlich ein neues Album von den Bühnen-Stoikern aus New York, Interpol! Befreiende Ausbrüche wechseln sich ab mit getragenen, in Düsternis schwelgenden Passagen. Und stets singt die Gitarre dazu. »Sun, you sleep in clouds of fire.« Wen das kalt lässt, ist Scooter-Fan…
Einen Sonderpreis bekommen Interpol für die obskurste Album-Verpackung des Jahres. Das Album kommt in einem Buch, das ein merkwürdiges Poster, schwarze Seiten und merkwürdige Tierbilder enthält. Aber dafür keine Texte:

Auch von meinem Lieblings-Wunderknaben Conor Oberst und seiner Band Bright Eyes gab es Neues zu hören. Die beiden Jahrhundertalben des Jahres 2005 zu toppen, war eine schwere Aufgabe, und es ist auch nicht ganz gelungen. Nichtsdestotrotz ist Cassadaga ein großartiges Album geworden, das alleine schon für den Song »No One Would Riot For Less«. »Where kindness is a card game or a bent up cigarette, in the trenches, in the hard rain, with a bullet and a bet…«
Zur Einstimmung gibt es von diesem Song ein animiertes Video (WMV, 59MB). Nicht nur von diesem.
Auch live haben Bright Eyes überzeugt, der junge Herr Oberst hat seinen mitunter in peinlichen Auftritten resultierenden Hang zum exzessiven Konsum von Mitteln aller Art während der Tour erfreulicherweise in den Griff bekommen.

Das zweite Album ist immer das schwerste. Besonders, wenn das erste Album ein hype-auslösender Hammer war wie bei Maxïmo Park. Aber jegliche Sorge war unbegründet, den Mannen um den begnadeten Bühnen-Showman und Sänger Paul Smith ist auch beim zweiten Album »Our Earthly Pleasures« ein großer Wurf gelungen. Bei den Herren daheim kann man ein wenig zur Probe hören (oben Rechts, »Audio«). Die Songs strotzen vor Energie, ohne ins Monotone abzudriften. »Digging through towns. Make way, like Moses through the waves.« So geht es voran. Wie der Guardian schrieb: »Like 2005’s A Certain Trigger, Maxïmo’s second album is dominated by singer Paul Smith’s Oscar Wilde-type persona: a sensitive soul driven to dementia by daily life, lust and vodka.« Dem ist nichts mehr hinzu zu fügen. Außer: Anhören!

Apropos Nachfolgealben!

2007 war überhaupt das Jahr der Nachfolgealben vieler Hype-Bands aus dem Jahre 2005. Gelungen, wenn auch nicht so wie obige »Top 5« fand ich:

  • Arctic Monkeys: »Favourite Worst Nightmare«. Ohne störenden Hype lässt sich besser musizieren. ;) Ich kann die Enttäuschung im Netz über das Album nicht verstehen, es hat erheblich mehr an Energie und Abwechslung zu bieten als der Vorgänger.
  • Bloc Party: »A Weekend In The City«. Immer noch gut, aber nicht in der Liga von »Silent Alarm«. Störend vor allem die Ausflüge in komische Elektro-Experimente, so als wollte man sagen: »Nein nein, wir sind nicht einfach ‘ne Rockband wie all’ die anderen…«.
Überzeugende Außenseiter

»Local Heroes« aus meinem Geburtsort Düsseldorf sind Kiesgroup, die in 2007 ihr zweites Album »Das Leben als Umweg zwischen Nichts und Nichts« vorlegten. Zwischen zuckersüßen Melodien verstecken sich hammerharte und ziemlich absurde Texte aus dem prallen Leben. Der Ohrwurm »Zwerg Nase klagt an« ist einer der besten Songs des Jahres 2007 überhaupt. »Darauf unser letztes Wort, Ihr seid schuld am Zwergenmord.« Auf ihrer Myspace-Seite darf man einige Songs zur Probe hören, aktuell u.a. »Schleppscheiße« und »Der Kannibale« vom neuen Album.

Die Kilians aus Dinslaken sind für mich die Newcomer des Jahres. Zweimal habe ich sie live gesehen, sie strahlen eine ungeheure rohe Energie aus, und Sänger Simon Den Hartog ist in seinen jungen Jahren bereits eine vollendete »Rampensau«. Unterstützt die Jugend (hey, seid froh, dass es noch junge Leute gibt, die anständige Musik machen und keinen Hip-Hop ;)), kauft ihr Album »Kill The Kilians« (es ist dass, was die großen Strokes aus New York demnächst gerne machen würden) und besucht einen ihrer energiegeladenen Live-Auftritte, die Jungs sind ganzjährig auf Tour.

Das reicht als Empfehlung, es gab natürlich noch viel mehr gute Musik, 2007 war ein guter Jahrgang.

Und die »Single« (im Sinne von: Schönes Lied, würde ich mir aber nie ein Album von kaufen) des Jahres? »Junge« von den Ärzten, alles andere als meine Lieblingsband, aber der Song ist grandios. Er erinnert »Message-mäßig« an die eigene Jugend. ;-)