Artikel zum Thema »kalkscheune«

re:publica 08: Das endgültige Fazit!

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Was haben wir denn so bei re:publica gemacht? Die SZ klärt auf (vgl. Bild oben): Wir haben die Museumslaptops aus dem Keller geholt und Windows98 installiert…

Das Bild ist nur das I-Tüpfelchen auf einen der schlechtesten Artikel, die ich seit langen außerhalb von Byld gelesen habe. Herr Knüwer hat dazu bereits alles gesagt. Die letzten Zuckungen einer einstigen Qualitätszeitung, die ihre Zukunft hinter sich hat, weil sie Busen-Fotostecken über 25 Klickseiten für das Rezept zum Überleben in der digitalen Zukunft hält, aber deren Akteure trotzdem stets lautstark das große Wort von den »journalistischen Standards« im Munde führen. Symptomatisch. Auch für die Berichterstattung über die re:publica in den alten Medien. Die Schreiber betrachten die Teilnehmer aus der Perspektive des Zoobesuchers. Deshalb reagieren sie auch wie der Zoobesucher auf Knuts Angeleinlagen, wenn wir in unsere Notebooks schauen. Kulturelles Nichtverstehen (-wollen) ist keine Basis für eine angemessene Berichterstattung. Aber das war nun schon wieder viel zu viel Platz für die Protagonisten der sterbenden »vierten Macht«…

re:publica 08

Natürlich schreit das Ende einer Konferenz immer nach »Fazit«.

Also, ist ja Gebot, auch das definitive Fazit von mir: Wir waren Zeuge des endgültigen historischen Aufbruchs in eine neue intellektuelle und publizistische Zukunft, wir sehen das Ende des Meinungsmonopols am Horizont, wir sehen die Massen, behangen mit den Waffen des freien Publizierens, bloggend, twitternd, fotografierend und mogulierend in die Burgen der alten Medien marschieren. Sie schreien nicht mehr nach Brot, sie fordern Aufmerksamkeit. Sie zertrümmern die Kabelnetze und Satellitenschüsseln und ehren die Netzwerkkabel. Ja, in der Tat, es ist Zeitenwende. Wie Peter Weibel sagen würde: Die Leute haben die Nase voll von den alten Medien, deshalb machen sie sich selbst welche…

Okay, Spaß beiseite. re:publica hat mir wieder sehr viel Spaß gemacht. Aus Gesprächen, Diskussionen und ja, auch aus einigen Vorträgen, nahm man interessante Anregungen und Gedanken mit. Banal? Sicher. Einige suchen auf so einer Konferenz immer nach dem großen fahnentauglichen griffigen Zukunftsentwurf in Manifest-Form (s.o. ;)), den es so natürlich nicht geben kann und geben wird. Und auch das beliebte Genöhle »Ey, issja nur ne Nabelschau, ey« ist zwar wahr, aber nicht logisch, da Fachkonferenzen immer Nabelschauen sind.

Was bleibt? Danke an Markus, Johnny und allen anderen hilfreichen Händen für die gelungene Konferenz, ein besonderer Gruß an die anderen Stadtbloggerinnnen und Stadtblogger, und die Vorfreude auf re:publica 09.

Vor lauter sozialer Interaktion ;) habe ich viele Vorträge gar nicht gesehen, das werde ich dank der hervorragenden Videos von Hobnox noch nachholen und über die Themen das eine oder andere Wort verlieren. Im Gegensatz zu Herrn ix halte ich das Bloggen über Vorträge auf solchen Konferenzen für sinnvoll. Ich schaue zum einen gerne in meinem eigenen Archiv nach, was bei vergangenen Veranstaltungen erzählt wurde, und zum anderen ist das geschriebene Wort nun einmal weniger flüchtig als ein Video bei irgendeinem Anbieter, ganz zu schweigen vom Ge-Twitter. Auch wenn wir mittlerweile auf Häppchen konditioniert sind – manche Dinge sind doch ein wenig komplexer als 140 Zeichen. Darum: In Zukunft mehr Bloggen, bitte!

re:publica 08: Bürgerjournalismus - »Müssen wir jetzt spielen, was wir wollen?«

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re:publica 08: Bürger, an die Produktionsmittel

[Alles, mit Ausnahme der als solche gekennzeichneten Zitate, indirekte Wiedergaben der Dinge nach meinem höchst eigenen Verständnis!]

re:publica 08: Der Schockwellenreiter spricht Im von Don Dahlmann moderierten re:publica-Panel »Weil wir es können! Die Produktionsmittel in der Hand von Bürgern« wiederholt Jörg Kantel alias »Der Schockwellenreiter« seine bekannte These: Echten Bürgerjournalismus könne es nur geben, wenn der Bürger auch im Besitz der Produktionsmittel sei. Denn die Werkzeuge seien alle frei verfügbar. Es gibt, da kann man dem Schockwellenreiter zustimmen, in der Tat keinen Grund, Bürgerjournalismus unter dem Dach eines Medienkonzerns zu praktizieren. Eine rein quantitative Kritik, die sich auf den Fakt stützt, dass tatsächlich nur 0,2% der Bevölkerung auch tatsächlich Bloggen wolle, geht für Kantel ins Leere: Es geht um die Möglichkeit, es tun zu können, aber es müsse eben nicht jeder. Man dürfe diese Möglichkeit der Kommunikation (Zitat) »nicht den Murdochs und Holtzbrincks dieser Welt überlassen«. Auch wenn sich die mit ihren neuen Möglichkeiten ausgestatteten Bürger manchmal die selbe Frage stellen wie einst die antiautoritären Kinder der 68er: »Müssen wir jetzt spielen, was wir wollen?«

Ebenfalls auf dem Panel ist Daniel Fiene. Er preist weniger den emanzipatorischen Akt der Freiheit des Publizierens, sondern die eher unterhaltsamen Amateuraktivitäten wie das »Mogulieren« von Bloggern, die gemeinsam eine Sendung im Unterschichtenfernsehen schauen und dabei von Internetzuschauern betrachtet werden…

Oliver Wrede dagegen möchte die Möglichkeiten sich entwickeln lassen. Eigentum an Produktionsmitteln hält er nicht für so wichtig, für ihn kann es auch Aktivität in den umzäunten Gärten der Medienmultis oder Startups sein. Alles sei im Fluss und entwickle sich. So habe Twitter vor einem Jahr noch für (Zitat) »user generated spam« gehalten, mittlerweile jedoch eine interessante Entwicklung dieses kleinen Dienstes gesehen. Solche Dienste müssten nach ihrer »Hype-Phase« eine »Kritische Masse« erreichen. Jeder habe viele Möglichkeiten, der für die »alten« Medien charakteristische aufwändige Produktionsprozess sei nicht mehr da, die neuen Möglichkeiten »ubiquitär«.

Jörg Kantel fordert eine andere Medienkompetenz. Für gedruckte Medien und TV gäbe es schon eine. Diese sei aber von einer »Umbiegung echter Bedürfnisse« geprägt. Jeder wisse im Grunde, was von »Bild« zu halten sei, gelesen würde es aber trotzdem. »Unsere« Aufgabe sei es, mit den neuen Produktionsmitteln des Webs eine Alternative zu schaffen. Wobei nicht sicher sei, dass diese sich dann auch »historisch durchsetze«. Schließlich sei die Frage nach den Medien auch eine Frage nach den realen Machtverhältnissen.

Don Dahlmann meint: Die Produktionsmittel seien da, Menschen verstünden aber den Umgang damit nicht.

Daniel Fiene hat »echte Menschen«, »Offliner« ;), in seinem sozialen Umfeld durch seine Online-Aktivitäten missioniert. Das Problem ist aber, dass die frisch Missionierten nicht genau wüssten, was sie jetzt mit dieser Technik machen sollen.

Oliver Wrede kann diese Beobachtung bestätigen. Die inhaltliche Frage sei das Problem, Aktivitäten oft Selbstzweck (Zitat): »Viele sind von den Werkzeugen beseelt.«

Jörg Kantel fordert (Zitat): »Medienkompentenz muss sich an den Inhalten entwickeln, nicht an der Technik«. Die Entwickler der Werkzeuge seien aber schuldig. Sie spielen mit der Technik, statt Techniken zu entwickeln, die den weniger Bewanderten helfe, Inhalte zur Verfügung zu stellen. Und erläutert seine Idee einer Vernetzung über dezentrale Community-Server per Ping vor, die eine Nutzung von kommerziellen umzäunten Gärten überflüssig machen würde.

Oliver Wrede ist skeptisch: Solange ein Klima der »Anti-Intellektualität« herrsche, sei die Technik nicht das Problem. Für Jörg Kantel hängt das mit den realen Verhältnissen zusammen. Wir bräuchten einen gesellschaftlichen Wandel weg von der Industriegesellschaft hin zur Informationsgesellschaft (Zitat): »Wir sind Begleitmusik zu einer laufenden gesellschaftlichen Veränderung.«

Abschließend forderte Kantel dazu auf, Fortschritte auch im Kleinen, von den »Relevanzfanatikern« oft belächelten Online-Strukturen zu sehen. Man solle nicht immer nur auf die (Zitat) »Großen Sachen im Kontext des Journalismus« schauen, sondern auch auf die Kleinode bei beepworld oder jimdo.

Fazit: In dem vergangenen Jahr seit der letzten re:publica sind wir mit diesem Thema nicht wirklich weiter gekommen, im Gegenteil, mir scheint der Trend eher dahin zu gehen, dass die Menschen sich lieber in die bequemen Sessel der kommerziellen Dienste und geschlossenen Netzwerke setzen. Da ist noch einiges zu tun.

re:publica 08: Impressionen vom ersten Tag

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re:publica 08

Ja, die re:publica. Der erste Tag ist schon wieder rum, das große »Familientreffen« der Blogger- und so genannten »Web-2.0-Szene«. Es gibt eine wahrnehmbare kulturelle Differenz zwischen denen, die hier sind, weil sie fasziniert sind vom Medium Web und seinen stetig fortschreitenden kommunikativen Möglichkeiten, und jenen, die, zumeist ökonomisch motiviert hier sein »müssen«. Diese Differenz ist im Laufe der Jahre bei Veranstaltungen dieser Art stärker geworden.

Enttäuschend war das Panel zum Thema »Die Zukunft der Social Networks« am ersten Tag. Humoristischer Höhepunkt war die Passage, in der Michael Brehm von …..VZ dem Publikum glauben machen wollte, die Benutzer-Datenbank von …..VZ wäre gar nichts wert…

Geerdeter ging es zu beim »Treffen der Stadtblogs«. Stadt-, Regional- und Lokalblogger aus dem ganzen Lande trafen sich zu einem kleinen Meinungsaustausch. Es war interessant, das Spektrum der Projekte und Blogger ein wenig kennen zu lernen, vom kleinen idealistisch motovierten Hobbyprojekt bis zum »A-Listen-Stadtblog« war alles dabei. Und, Stadtblogger sind wohl noch die wahren Idealisten, auf vorsichtige Ansprachen in Richtung Werbung und Monetarisierung sprang kaum einer an. Erfrischend!

Fantastisch war das Musical »Web-Side-Story« von Johnny und Tanja Häusler (Bild: monodromde, CC-lizenziert, Danke :)). Genau die richtige unterhaltsame und leichte Kost zum Ausklang des langen Konferenztages.

Sobald er verfügbar ist, solltet Ihr Euch den Chaosradio-Express-Podcast CRE083 »Die Kritische Masse« anhören. Tim Pritlove unterhielt sich mit Peter Glaser zum »Schlüsselthema« der re:publica. Dieser Podcast wurde live mit Publikum aufgezeichnet, was mich gefreut hat, da Chaosradio Express sowieso zu meinen Lieblings-Podcasts gehört. Unbedingt anhören!

Es gibt noch zwei Tage re:publica. Wer es noch nicht mitbekommen und nichts zu tun hat: Es gibt Audio-Livestreams und sogar Video-Übertragungen. Nur das »Da-sein« und mit den Bekannten aus der Webwelt plaudern, das kann die technische Übermittlung durch Zeit und Raum natürlich nicht ersetzen. ;)

re:publica 08: »Erinnern wir uns des Vergessens.«

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Die re:publica hat begonnen. Viktor Mayer-Schönberger hielt die Keynote der re-publica. Er widmete seinen Vortrag der Telekom für die Reservierung einer Grundfarbe als Markenzeichen. ;)

Die Keynote unter dem Titel »Nützliches Vergessen. Informationsökologie im digitalen Zeitalter« drehte sich um die Probleme die entstehen können, wenn man Sachen ins Web stellt, wie »betrunkene Fotos« oder alte Geschichten. Illustriert an zwei Beispielen einer Lehrerin, die von ihrem MySpace-Foto aus dem Lehramt gekickt wurde und eines Herrn, der wg. Schilderungen von Drogenerlebnissen nicht in die US of A einreisen durfte. Das Problem: Google vergisst nichts, zeichnet alle Suchen auf, Google weiß mehr über Dich als Du selbst. ;)

Der Mensch besitzt ein »biologisch determiniertes Vergessen«. Die große Epen der Menschheit entstanden aus Weitererzählen und Vergessen: »Vergessen : Erinnern«. Vergessen war die Norm, Erinnern die Ausnahme. Biologisches Vergessen entsorgt den Erinnerungsmüll. Google und Co dagegen erinnern sich an alles: Aus dem biologischen Vergessen wurde technisches Erinnern.
Daten sammeln alleine reicht bekanntlich nicht. Diese Erfahrung musste die Stasi machen. Die Kunst ist das Wiederfinden, was die Technik von heute relativ problemlos ermöglicht.

Der Mensch muss lernen, damit umzugehen: Bsp. ist eine Dame die alte in ihrer Wortwahl fiese E-Mails von einem Herrn löscht, weil der sich geändert hat und sie nicht mehr an dessen übles Wesen vergangener Zeiten erinnert werden möchte. Mayer-Schönberger: »Wenn wir nicht vergessen können, können wir nicht mehr rational entscheiden.«

Was also dagegen tun? Traditionelle Ansätze waren:

1. Technische Regulierung: Die Verwendung von Technologie und ihr »Vergessen« wird vorab eingeschätzt und kontrolliert. Die Nutzung wird verboten und nur in Ausnahmefällen erlaubt. Das war der Regulierungsansatz vergangener Zeiten, der gescheitert ist, weil es nicht mehr nur eine überblickbare zentrale Anzahl von informationsarbeitenden Stellen gibt.

2. Betroffenenrechte: Kontrolle der Einhaltung von Betroffenenrechte, Ergebnis: »Ein Volk von Kontrolleuren.« Das Problem: Sind politisch teilweise nicht durchsetzbar, und wenn sie in Datenschutzrechten formuliert werden sind sie vielfach nicht durchsetzbar. In 15 Jahren Bundesdatenschutzgesetz ist bisher kein enziger Fall von Schadensersatz wg. Verstöße dagegen bekannt.

3. Informationsökologie: Die Datensammlungen begrenzen: Zweckbindung, Löschungsnormen. Problem: Durchsetzbarkeit, Mayer-Schönberger: »Wenn der Staat keinen Datenschutz mehr will, wird Datenschutz nicht mehr durchgesetzt und die Menschen verwundbar«. Ein Beispiel dafür: Ein Niederländisches Bevölkerungsregister für den Sozialstaat wurden von Nazis als Datenquelle für Holocaust verwendet. Und das Problem seit 9/11: »Löschen ist out«

Die traditionellen Ansätze helfen also nicht. Die Lösung für uns Betroffene: Alternative Ansätze.

1. Digitale Enthaltsamkeit: Wer nichts ins Internet stellt, braucht nichts fürchten. Aber ist das erstrebenswert? (2 von 3 Jugendlichen in den USa stellen Informationen online.)

2. Volle Kontextualisierung: Die Speicherung fast aller Informationen. Weil nicht alle Infos im Kontext zugänglich sind, entstehen Probleme. Also alles einfach alles speichern, dann ist der Kontext da und Vergangenes kann eingeordnet werden. Die Konsequenz ist eine gläserne Gesellschaft. (Wie Jeremy Benthams Panoptikum)

3. Kognitive Revolution: Menschen müssen lernen, mit der Omnipräsenz von Informationen umzugehen. Gute Idee, aber ist das realistisch und machbar? Mayer-Schönberger meint: Unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen.

4. Regulierung durch Technik (Lawrence Lessig): Eigentumsrechte an persönlichen Informationen für die Betroffenen. Eine Verwendung nur im vereinbarten Rahmen möglichen. Erfordert ein »Privacy DRM«. Das aber, so Mayer-Schönberger, würde in einer »Perfekten Überwachung zum Schutz der infomrationellen Privatsphäre«.

Mayer-Schönberger: »Ich plädiere für die Wiedereinführung des Vergessens.« Dazu schlägt er ein »Verfallsdatum für Informationen« vor. Die Nutzer legen fest, wie lange digitale Informationen gespeichert werden soll, und die Speicherdauer kann jeder selbst festlegen.

Praxisbeispiele dazu:

  • Suchanfrage: Darf nur in einem definierten Zeitraum von Google verwendet werden. In gewissen Fällen sinnvoll. Wenn man vier Monate in Google forscht, macht es Sinn, suche man aber nur den leckeren Wodka vom letzten Wochenende, macht dauerhaftes Speichern aber einen Sinn. (ask.com hat so etwas in der Art, sagt Mayer-Schönberger.)
  • Digitalfoto: Das Recht am eigenen Bild. Ein RFID-Chip am Mann mit zwei Einstellungen: Verfallsdatum oder dauerhaft speichern, wird an Kamera des aufnehmenden übergeben.

Das Regulierunsgspektrum für eine Lösung sieht so aus:

1. Die Möglichkeit der Wahl.
2. Stete Konfrontation mit der informationellen Endlichkeit. Information ist nicht zeitlos gültig, sondern hat einen zeitlichen Kontext.

Mayer-Schönberger Schlusswort: «Vergessen gerät zunehmend in Vergessenheit: Erinnern wir uns des Vergessens.«

Eine gute Keynote zum auftakt der re-publica, mit einem klaren roten Faden und einer richtigen Botschaft. So kann es weitergehen.

[Nachtrag] Golem hat ein Interview mit Viktor Mayer-Schönberger zu diesem Thema.