Was haben wir denn so bei re:publica gemacht? Die SZ klärt auf (vgl. Bild oben): Wir haben die Museumslaptops aus dem Keller geholt und Windows98 installiert…
Das Bild ist nur das I-Tüpfelchen auf einen der schlechtesten Artikel, die ich seit langen außerhalb von Byld gelesen habe. Herr Knüwer hat dazu bereits alles gesagt. Die letzten Zuckungen einer einstigen Qualitätszeitung, die ihre Zukunft hinter sich hat, weil sie Busen-Fotostecken über 25 Klickseiten für das Rezept zum Überleben in der digitalen Zukunft hält, aber deren Akteure trotzdem stets lautstark das große Wort von den »journalistischen Standards« im Munde führen. Symptomatisch. Auch für die Berichterstattung über die re:publica in den alten Medien. Die Schreiber betrachten die Teilnehmer aus der Perspektive des Zoobesuchers. Deshalb reagieren sie auch wie der Zoobesucher auf Knuts Angeleinlagen, wenn wir in unsere Notebooks schauen. Kulturelles Nichtverstehen (-wollen) ist keine Basis für eine angemessene Berichterstattung. Aber das war nun schon wieder viel zu viel Platz für die Protagonisten der sterbenden »vierten Macht«…
Natürlich schreit das Ende einer Konferenz immer nach »Fazit«.
Also, ist ja Gebot, auch das definitive Fazit von mir: Wir waren Zeuge des endgültigen historischen Aufbruchs in eine neue intellektuelle und publizistische Zukunft, wir sehen das Ende des Meinungsmonopols am Horizont, wir sehen die Massen, behangen mit den Waffen des freien Publizierens, bloggend, twitternd, fotografierend und mogulierend in die Burgen der alten Medien marschieren. Sie schreien nicht mehr nach Brot, sie fordern Aufmerksamkeit. Sie zertrümmern die Kabelnetze und Satellitenschüsseln und ehren die Netzwerkkabel. Ja, in der Tat, es ist Zeitenwende. Wie Peter Weibel sagen würde: Die Leute haben die Nase voll von den alten Medien, deshalb machen sie sich selbst welche…
Okay, Spaß beiseite. re:publica hat mir wieder sehr viel Spaß gemacht. Aus Gesprächen, Diskussionen und ja, auch aus einigen Vorträgen, nahm man interessante Anregungen und Gedanken mit. Banal? Sicher. Einige suchen auf so einer Konferenz immer nach dem großen fahnentauglichen griffigen Zukunftsentwurf in Manifest-Form (s.o. ;)), den es so natürlich nicht geben kann und geben wird. Und auch das beliebte Genöhle »Ey, issja nur ne Nabelschau, ey« ist zwar wahr, aber nicht logisch, da Fachkonferenzen immer Nabelschauen sind.
Was bleibt? Danke an Markus, Johnny und allen anderen hilfreichen Händen für die gelungene Konferenz, ein besonderer Gruß an die anderen Stadtbloggerinnnen und Stadtblogger, und die Vorfreude auf re:publica 09.
Vor lauter sozialer Interaktion ;) habe ich viele Vorträge gar nicht gesehen, das werde ich dank der hervorragenden Videos von Hobnox noch nachholen und über die Themen das eine oder andere Wort verlieren. Im Gegensatz zu Herrn ix halte ich das Bloggen über Vorträge auf solchen Konferenzen für sinnvoll. Ich schaue zum einen gerne in meinem eigenen Archiv nach, was bei vergangenen Veranstaltungen erzählt wurde, und zum anderen ist das geschriebene Wort nun einmal weniger flüchtig als ein Video bei irgendeinem Anbieter, ganz zu schweigen vom Ge-Twitter. Auch wenn wir mittlerweile auf Häppchen konditioniert sind – manche Dinge sind doch ein wenig komplexer als 140 Zeichen. Darum: In Zukunft mehr Bloggen, bitte!
[Alles, mit Ausnahme der als solche gekennzeichneten Zitate, indirekte Wiedergaben der Dinge nach meinem höchst eigenen Verständnis!]
Im von Don Dahlmann moderierten re:publica-Panel »Weil wir es können! Die Produktionsmittel in der Hand von Bürgern« wiederholt Jörg Kantel alias »Der Schockwellenreiter« seine bekannte These: Echten Bürgerjournalismus könne es nur geben, wenn der Bürger auch im Besitz der Produktionsmittel sei. Denn die Werkzeuge seien alle frei verfügbar. Es gibt, da kann man dem Schockwellenreiter zustimmen, in der Tat keinen Grund, Bürgerjournalismus unter dem Dach eines Medienkonzerns zu praktizieren. Eine rein quantitative Kritik, die sich auf den Fakt stützt, dass tatsächlich nur 0,2% der Bevölkerung auch tatsächlich Bloggen wolle, geht für Kantel ins Leere: Es geht um die Möglichkeit, es tun zu können, aber es müsse eben nicht jeder. Man dürfe diese Möglichkeit der Kommunikation (Zitat) »nicht den Murdochs und Holtzbrincks dieser Welt überlassen«. Auch wenn sich die mit ihren neuen Möglichkeiten ausgestatteten Bürger manchmal die selbe Frage stellen wie einst die antiautoritären Kinder der 68er: »Müssen wir jetzt spielen, was wir wollen?«
Ebenfalls auf dem Panel ist Daniel Fiene. Er preist weniger den emanzipatorischen Akt der Freiheit des Publizierens, sondern die eher unterhaltsamen Amateuraktivitäten wie das »Mogulieren« von Bloggern, die gemeinsam eine Sendung im Unterschichtenfernsehen schauen und dabei von Internetzuschauern betrachtet werden…
Oliver Wrede dagegen möchte die Möglichkeiten sich entwickeln lassen. Eigentum an Produktionsmitteln hält er nicht für so wichtig, für ihn kann es auch Aktivität in den umzäunten Gärten der Medienmultis oder Startups sein. Alles sei im Fluss und entwickle sich. So habe Twitter vor einem Jahr noch für (Zitat) »user generated spam« gehalten, mittlerweile jedoch eine interessante Entwicklung dieses kleinen Dienstes gesehen. Solche Dienste müssten nach ihrer »Hype-Phase« eine »Kritische Masse« erreichen. Jeder habe viele Möglichkeiten, der für die »alten« Medien charakteristische aufwändige Produktionsprozess sei nicht mehr da, die neuen Möglichkeiten »ubiquitär«.
Jörg Kantel fordert eine andere Medienkompetenz. Für gedruckte Medien und TV gäbe es schon eine. Diese sei aber von einer »Umbiegung echter Bedürfnisse« geprägt. Jeder wisse im Grunde, was von »Bild« zu halten sei, gelesen würde es aber trotzdem. »Unsere« Aufgabe sei es, mit den neuen Produktionsmitteln des Webs eine Alternative zu schaffen. Wobei nicht sicher sei, dass diese sich dann auch »historisch durchsetze«. Schließlich sei die Frage nach den Medien auch eine Frage nach den realen Machtverhältnissen.
Don Dahlmann meint: Die Produktionsmittel seien da, Menschen verstünden aber den Umgang damit nicht.
Daniel Fiene hat »echte Menschen«, »Offliner« ;), in seinem sozialen Umfeld durch seine Online-Aktivitäten missioniert. Das Problem ist aber, dass die frisch Missionierten nicht genau wüssten, was sie jetzt mit dieser Technik machen sollen.
Oliver Wrede kann diese Beobachtung bestätigen. Die inhaltliche Frage sei das Problem, Aktivitäten oft Selbstzweck (Zitat): »Viele sind von den Werkzeugen beseelt.«
Jörg Kantel fordert (Zitat): »Medienkompentenz muss sich an den Inhalten entwickeln, nicht an der Technik«. Die Entwickler der Werkzeuge seien aber schuldig. Sie spielen mit der Technik, statt Techniken zu entwickeln, die den weniger Bewanderten helfe, Inhalte zur Verfügung zu stellen. Und erläutert seine Idee einer Vernetzung über dezentrale Community-Server per Ping vor, die eine Nutzung von kommerziellen umzäunten Gärten überflüssig machen würde.
Oliver Wrede ist skeptisch: Solange ein Klima der »Anti-Intellektualität« herrsche, sei die Technik nicht das Problem. Für Jörg Kantel hängt das mit den realen Verhältnissen zusammen. Wir bräuchten einen gesellschaftlichen Wandel weg von der Industriegesellschaft hin zur Informationsgesellschaft (Zitat): »Wir sind Begleitmusik zu einer laufenden gesellschaftlichen Veränderung.«
Abschließend forderte Kantel dazu auf, Fortschritte auch im Kleinen, von den »Relevanzfanatikern« oft belächelten Online-Strukturen zu sehen. Man solle nicht immer nur auf die (Zitat) »Großen Sachen im Kontext des Journalismus« schauen, sondern auch auf die Kleinode bei beepworld oder jimdo.
Fazit: In dem vergangenen Jahr seit der letzten re:publica sind wir mit diesem Thema nicht wirklich weiter gekommen, im Gegenteil, mir scheint der Trend eher dahin zu gehen, dass die Menschen sich lieber in die bequemen Sessel der kommerziellen Dienste und geschlossenen Netzwerke setzen. Da ist noch einiges zu tun.
Jörg Kantel gibt zum Auftakt seine bekannte Position zum Besten: Bürgerjournalismus ist nur dann Bürgerjournalismus, wenn der schreibende Bürger auch im Besitz der Produktionsmittel ist.
Katharina Borchert findet die Diskussionen in dieser Hinsicht aber zu theoretisch. Jens Matheuszik, der Pottblogger, auch. Er bloggt einfach nur. Jens schrieb über regionale Themen, wurde deshalb von Falk auf das Podium eingeladen. Und Themen, die in »traditionellen« Medien eher selten aufgegriffen werden. Jörg prangert an, dass die Tageszeitungen die regionale Berichtserstattung aus Profitgründen aufgegeben hat. Es gebe nur noch massenkompatible Themen. Lyssa verteidigt die WAZ-Gruppe, diese sei natürlich nicht von böser Profitgier getrieben, sondern von wirtschaftlicher Notwendigkeit…
Jörg stellt fest: Wir brauchen Plattformen wie die Readers-Edition oder ähnliche geplante Plattformen nicht. Vernetzung muss »von unten« kommen, und bringt das Beispiel Neukölln. Würde man alle Weblogs aus Neukölln »von unten« vernetzen, hätte man mehr gewonnen als mit allen (Gedächtniszitat) »Kopfgeburten aus den Verlagen«.
Lyssa erzählt ein wenig über ihr WAZ-Projekt. Dort sind sie (Gedächtniszitat) »auf ganz viel Scheitern eingerichtet«. Das nenne ich mal eine optimistische Herangehensweise.
Eine Frage aus dem Publikum an Hugo E. Martin: Werbung auf die RE pappen und viele CC-Lizenzen, an denen sich die RE fleißig bedient, sind nicht kompatibel. Er windet sich mit allgemeinen Ausführungen zur finanziellen Situation der Readers Edition heraus, ohne auf die Frage einzugehen.
Hugo Martin will in der RE Themen und Autoren mit Organisationen vernetzen, zum Thema »Nachhaltigkeit« und »Klimawandel«… Lyssa meint, es gehe in erster Linie um Meinungen, das Volk möchte sich äußern. Falk fragt im Publikum nach, wer darauf Lust hat. Die Anzahl der Meldungen ist eher niedrig…
Jörg sagt, bezogen auf Werkzeuge zum Bürgerjournalismus: Man soll nicht darauf warten, dass irgendwer etwas macht. Es macht niemand was. Darum muss man selbst machen. Ist das nicht immer so im Leben?
Fazit der etwas konfusen Runde: Der Begriff des »Bürgerjournalismus« wird vergehen, sein Inhalt sollte aber »Alltag« werden. Jens ist der Ansicht, dass der Bürger endlich wieder Meinungen äußern soll und sich vom passiven Medienkonsum befreien soll. Ein schönes Schlußwort!
Ein frohes, erfolgreiches, gesundes und in jeder Hinsicht gutes Jahr 2007 wünsche ich Euch allen!
Der 1.1. ist traditionell der große Tag des Schwadronierens, Resümierens und Prognostizierens. Da machen wir natürlich keine Ausnahme!
Das waren die zentralen Dinge in 2006: Den Heuschrecken »Lebewohl« gesagt – Der »digitalen Bohème« (nun ja, den Begriff gab es da noch gar nicht) »Hallo« gesagt – Wiesbaden »Ade« gesagt – Karlsruhe “Hallo” gesagt!
Und 2007: Spannende Sachen warten, Ihr werdet es mitbekommen! ;-)
Und noch Prognosen für 2007:
Große Dimension: Die Politik in ihrem Terrorwahn wird uns in immer neue Dimensionen ihrer Orwellschen Fieberträume einer ganzheitlich überwachten Un-Sicherheitsgesellschaft schubsen, und der Ernstfall für Art. 20 Abs. 4 GG wird langsam aber sicher am Horizont sichtbar.
Kleine Dimension 1: Immer mehr Menschen werden im Web als unbezahlte Hilfskräfte für Medienkonzerne arbeiten und sich allen Ernstes für «Bürgerjournalisten« halten. Während sich hinter den glitzernden Fassaden der industriellen Medienproduktion die glorreichen Strategen mit Designer-Brille und Gel in den Haaren prustend auf die Schenkel klopfen…
Kleine Dimension 2: Die ersten ganzheitlich obsoleten Web-2.0-Startups werden krachend zusammenstürzen und in ihren Trümmern zeternde Benutzer zurücklassen.
Kleine Dimension 3: Im Schatten dieser beiden schlagzeilenträchtigen Dimensionen wird zunehmend ein echter Bürgerjournalismus gedeihen, weil immer mehr Menschen bemerken, dass es nicht der Hilfestellung eines Ruhrgebietzeitungsmonopolisten oder Münchner Medienmultis bedarf, um im Web des Jahres 2007 eine Stimme zu haben.
»The Role of Podcasting in Critical and Investigative Journalism«
Bicyclemark, ein in Amsterdam lebender portugiesischer Podcaster, hält einen Vortrag über Podcasting als kritischen und investigativen Journalismus. Nach einer etwas länglichen und ein wenig gezwungen komödiantischen Einleitung über seinen Namen und sein Blog, erläutert er seinen Begriff »Podjournalism«. Wg. dieses Begriffs hat er irgendwelche Händel mit Wikipedia, lässt sich zumindest aus der Anzahl seiner Seitenhiebe auf selbige schließen…
Ausgangspunkt war in den späten 90ern (Zitat) »The Media Wasteland«, eine sich zusammenschließende schrumpfende Landschaft von Medienkonzernen in den klassischen Gebieten wie Zeitungen, Rundfunk etc.
Investigativer Journalismus, (Zitat) »the greatest we have in journalism«, wurde aus Kostengründen weitestgehend abgeschafft. Stattdessen gab es »Sensationalism« und »Bullshit Journalism«.
Merkmal des Old-Style-Journalism: Alles ist »Top-Down«. Oder auch: Medienkonzerne kochen. Wir essen es.
Irgendetwas musste diese Lücke füllen! Und was kam: Natürlich Blogs! ;-)
Und dann: Der Siegeszug der MP3-Player. Und “Media On Demand”. Und eine Sehnsucht nach dem »Ursprünglichen«, das in der kalten Perfektion allglatter Nachrichtenproduktionen verloren gegangen scheint.
Und auf all dem, dem Verfall der industriellen Medien, den in die Lücke stoßenden Blogs und die durch die Verbreitung von MP3-Playern geschaffene Basis zur Verbreitung von Sendungen »On Demand«, entsteht der Podjournalism, lt. Bicyclemark:
»The unpolished, personal research, focusing on a topic using available resources.«
»Sheds light on something happening in the world that effects people’s lives.«
»Opinion has its place besides actual fact based on research.«
Der Podjournalism hat den »Spirit« der guten alten investigativen Radio-Reporter.
Und die den Bloggern eigene, geradezu konstituierende Subjektivität, die im krassen Gegensatz zum Postulat der Objektivität, steht, welches sich der überkommene Journalismus auf die Fahne schreibt (zumindest formal)? Bicyclemark: »Is a myth!«
Der neue Podjournalism ist »Bottom-Up«: Keine Chefredakteure mehr, die Freiheit, ohne kommerzielle Zwänge kritisch (Werbekunden und damit einhergehende, auch implizite, Schreibverbote für gewisse Themen!) und kreativ sein zu können.
Podjournalism in Action:
joshwolf.net (Wurde bei einer Demo verhaftet, weil er nicht als Journalist anerkannt wurde).
Aussichten: Podjournalism steht im Wettbewerb mit den industriellen Medien, es gibt die Gefahr des Ausverkauf (Zitat): »Old Media has money, we don’t« – Industrielle Medien »kaufen« Podcaster und Blogger!
Und: »Will it survive?« Bicyclemark wagt keine Prognose, sondern sagt: »It’s up to you to decide what happens!«